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Peter Sloterdijk
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„Sollte man in einem einzigen Satz den wesentlichen Unterschied zwischen der modernen und der antiken Welt resümieren und mit demselben Satz die beiden Weltzustände bestimmen, er müßte lauten: Modern ist das Zeitalter, das die höchste Mobilmachung der menschlichen Kräfte unter dem Vorzeichen von Arbeit und Produktion zustande brachte, während antik alle Lebensformen heißen, in denen die äußerste Mobilmachung im Namen von Übung und Perfektion geschah.“
„Sobald das rezessiv isolierte Subjekt sich umdreht, wird es auf seinen Schatten aufmerksam – er fällt, wie man leicht begreift, auf den gesamten «Rest der Welt».“
„Sich suchen bedeutet an erster Stelle: den Willen zu einem Weg haben; die Richtung des Weges jedoch kann ursprünglich keine andere sein als das Weg! von sich.“
„Schuld und Schulden weisen ein entscheidendes verbindendes Merkmal auf: Beide sorgen dafür, daß das Leben des Belasteten an einen in der Vergangenheit geknüpften Knoten gebunden bleibt.“
„Wenn die Dinge uns brennend auf den Leib rücken, muß eine Kritik entstehen, die das Brennen zum Ausdruck bringt. Sie ist keine Sache richtiger Distanz, sondern richtiger Nähe.“
„Wer könnte leugnen, daß das maßlose Unheil des vergangenen Jahrhunderts – wir nennen allein die russischen, die deutschen und die chinesischen Vernichtungsuniversen – in den ideologischen Aufbrüchen zur Übernahme der Rache durch irdische Zornagenturen gründete? Und wer wollte verkennen, daß heute schon die Wolken aufgezogen sind, aus denen sich die Gewitter des 21. Jahrhunderts entladen werden?“
„Wer komplexe Wirklichkeit leugnet, gibt sich gern objektiv und bezichtigt die Problembewußten der Wirklichkeitsflucht und der Träumerei.“
„Wer sich seinen Zorn merken will, muß ihn in Haßkonserven aufbewahren.“
„In Wahrheit hat sich das Kunstsystem im ganzen intern zu einem kapitalanalogen Geschehen gewandelt, mit entsprechenden Formen des Zusammenspiels von Unternehmertum und Bankfunktion. In diesem Prozeß bilden Resultate des bisherigen Kunstschaffens einen Kapitalstock, aus dem die aktuellen Kunstproduzenten Anleihen aufnehmen, um mittels ihrer neue, hinreichend verschiedene Werke zu gestalten.“
„In ihren Eigenwelten befangen, hören die Menschen nicht, was ihnen die Nichtschläfer zu sagen haben. Redet man zu ihnen von dem Logos, der durch alles wirkt, zucken sie mit den Schultern. Von dem Einen sehen sie nichts, obschon sie in es eingetaucht sind. Sie tun, als suchten sie den Gott, obwohl er vor ihnen steht.“
„Wie man weiß, rief die Erfindung des Purgatoriums bald ein umfangreiches System von Vorauszahlungen auf die jenseitigen Reinigungsstrafen ins Leben, das unter dem Namen Ablaßhandel bekannt wurde. Dank dieser Transaktionen rechneten der Papst und die Bischöfe zu den ersten Gewinnspielern der entstehenden kapitalistischen Geldwirtschaft.“
„Wissen und Macht sind die beiden Modi, wie man in das moderne Jenseits von Gut und Böse gelangt – und in dem Augenblick, wo unser Bewußtsein den Schritt in dieses Jenseits tut, ist unvermeidlich der Zynismus zur Stelle – bei Goethe ästhetisch, bei Dostojewski moralisch-politisch, bei Marx geschichtsphilosophisch, bei Nietzsche psychologisch-vitalistisch, bei Freud sexualpsychologisch.“
„Zeiten der chronischen Krise muten dem menschlichen Lebenswillen zu, permanente Ungewißheit als den nicht abänderbaren Hintergrund seiner Glücksbemühungen hinzunehmen. Dann schlägt die Stunde des Kynismus; er ist die Lebensphilosophie der Krise. Nur unter seinem Zeichen bleibt Glück im Ungewissen möglich. Er lehrt Einschränkung der Ansprüche, Wendigkeit, Geistesgegenwart, Hinhorchen auf das Angebot des Augenblicks. Er weiß, daß die Erwartung von langfristigen Karrieren und die Verteidigung sozialer Besitzstände in ein Dasein «als Sorge» verstricken muß.“
„Wenn aber Wahrheit nicht etwas zu Suchendes ist, sondern als furchtbare jeder sogenannten «Suche» nach ihr vorausliegt, dann wird die intellektuelle Aufrichtigkeit in eine unerwartete Lage gebracht: Wahrheit zeigt sich dann – wenn überhaupt – nicht mehr dem Sucher und Forscher, der ja einer ist, der sie vermeiden will, sondern dem, der die Gelassenheit und den Mut aufbringt, sie nicht zu suchen.“
„Der war on terror besitzt die ideale Eigenschaft, nicht gewonnen werden zu können – und daher nie beendet werden zu müssen.“
„Identität liefert folglich den Super-Habitus für alle, die so sein wollen, wie sie aufgrund ihrer lokalen Prägungen wurden, und meinen, das sei gut so. Auf diese Weise stellen die Identischen sicher, außer Hörweite zu sein, sollte unvorhergesehen wieder irgendwo der Imperativ «Du mußt dein Leben ändern!» zu hören sein.“
„Während die gewöhnliche, vom «niederen Eros» diktierte Wirtschaft in Affekten des Habenwollens gründet, stützt sich die thymotische Ökonomie auf den Stolz derer, die sich frei fühlen zu geben.“
„Unauthentisch ist das Bewußtsein, das bewußt nicht «in sich geht», weil es noch strategisch auf den Lügenvorteil setzt.“
„Der Schweißausbruch des Törleß nach zwei Seiten der Kritik der reinen Vernunft enthält soviel Wahrheit wie der ganze Kantianismus.“
„Insbesondere der sogenannte globale Terrorismus ist ein durch und durch posthistorisches Phänomen. Seine Zeit bricht an, wenn sich der Zorn der Ausgeschlossenen mit der Infotainmentindustrie der Eingeschlossenen zu einem Gewalttheatersystem für letzte Menschen verbindet.“
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