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Ernst Jünger
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Seite 15
Zitate
„Die konservative Haltung, in ihren Vertretern der Achtung, ja oft Bewunderung würdig, vermag die wachsende Bewegung nicht mehr aufzufangen und abzudämmen, wie das noch nach dem ersten Weltkriege möglich schien.“
„Der freie Mensch ist schon aus Gründen der Selbsterhaltung verpflichtet, sich darüber Gedanken zu machen, wie er sich in einer Welt verhalten will, in der der Nihlismus nicht nur herrschend, sondern, was schlimmer, auch zum Normalzustand geworden ist.“
„Gesundheit entsteht nicht dadurch, daß jeder zum Arzte wird.“
„Es sollte zugleich die Ansicht wachsen, daß ein dritter Weltkrieg, wenn auch nicht unwahrscheinlich, so doch nicht unvermeidlich ist. Nicht ausgeschlossen ist es, daß die Welteinheit sich durch Verträge erreichen läßt. Das würde freilich die Entstehung einer dritten Macht voraussetzen, als welche vorläufig nur das geeinte Europa denkbar ist. Auch könnte die Umdrehung ein Maß erreichen, das einen der Konkurrenten bereits im Frieden scheitern läßt. Dann gibt es das Unvorhergesehene. Das alles drängt zu dem Urteil, daß bei hinreichender Kraft des Geistes weder zum Optimismus, noch zur Verzweiflung Anlaß gegeben ist.“
„Das ist ein erster Hoffnungsblick. Zum ersten Male ergibt sich ein festes, sachliches Ziel inmitten des uferlosen Fortschritts und seiner Veränderung. Auch ist der Wille, es zuerreichen, nicht durchaus machtpolitisch – vielmehr entspricht er der Meinung, die man an jeder Straßenecke, in jedem Abteil hört.“
„Damit soll nicht der Vorgang als schlechthin sinnlos abgeurteilt sein. Es kann nichts helfen, daß man die Augen vor ihm verschließt vor ihm verschließt. Er ist ein Ausdruck des Weltbürgerkrieges, in dem wir begriffen sind. Das Ungeheure der Mächteund Mittelläßt darauf schließen, daß nunmehr das Ganzeauf dem Spiele steht. Dazu kommt die Gemeinsamkeit des Stils. Das alles deutet auf den Weltstaat hin. Es handelt sichnicht mehr um nationalstaatliche Fragen, auch nicht umGroßraum-Abgrenzungen. Es geht um den Planeten überhaupt.“
„Daneben wird niemand übersehen, daß in der Welt der Tatsachen der Nihilismus sich den letzten Zielen annähert. Nur war beim Eintritt in seine Zone der Kopf bereits gefährdet, der Leib dagegen noch in Sicherheit. Nun ist es umgekehrt. Das Haupt ist jenseits der Linie. Indessen steigert sich der niedere Dynamismus weiter und drängt zur Explosion. Wir wohnen dem schauerlichen Horten von Geschossen bei, die auf die unterschiedslose Vernichtung großer Teile des Menschengeschlechtes berechnet sind. Es ist kein Zufall, daß hier die gleichen Kräfte wirken, die den Soldaten diskriminieren, der noch Regeln des Kampfes und den Unterschied von Kriegern und Wehrlosen kennt.“
„Ebensowenig ist anzunehmen, daß sich die Phänomene sogleich als theologisch zu erkennen geben werden, wenn man das Wort im engeren Sinne faßt. Eher ist zu vermuten, daß sie aufjenen Feldern sichtbar werden, an die sich heute der Glaube knüpft, also gerade auf denen der Ziffernwelt. Und in der Tat ist zu erkennen, daß an der Grenze, an der sich Mathematik und Naturwissenschaft berühren, gewaltige Veränderungen im Werden sind. Es ändern sich die astronomischen, die physikalischen, die biologischen Aspekte in einer Weise, die einen bloßen Wechsel der Theoreme weit übersteigt.“
„Es ist kaum zu erwarten, daß diese Phänomene überraschend oder blendend auftauchen. Die überquerung der Linie, die Passage des Nullpunkts teilt das Schauspiel; es deutet die Mitte, doch nicht das Ende an. Die Sicherheit ist noch sehr fern. Dafür wird Hoffnung möglich sein. Der Barometerstand wird besser trotz äußerer Gefährdung, und das ist günstiger als wenn er fiele bei noch bestehenden Aspekten der Sicherheit.“
„Worauf begründet sich die Mißstimmung, die unter anderem den radikalen Parteien das Wasser abzugraben droht, und welche die Jahre nach 1945 so bedeutsam von denen nach 1918 trennt? Der Grund ist darin zu vermuten, daß wir inzwischen nicht nur ideologisch, sondern mit dem der Ideologie zugrunde liegenden Kernbestand den Nullpunkt passiert haben. Das bringt dann eine neue Richtung des Geistes und die Wahrnehmung neuer Phänomene mit.“
„Dem widerspricht nicht, daß auch der von Spengler aufgezeigte Turnus »stimmen« kann. Es bleibt aw’e“Viaent, daß über die Möglichkeit des morphologischen Vergleichens und Wiedererkennens hinaus neuartige Elemente eintreten. Das läßt vermuten, daß zugleich mit dem historischen Turnus eine Spanne abgelaufen ist, die seinen Maßstab übergreift.“
„Wir sahen, daß von Willensfreiheit nur auf einer schmalen Kuppe gesprochen werden kann. Doch gerade hier wird entschieden, was unentbehrlich ist bei der Verwandlung, wertvoller als Leben, und nicht geopfert werden darf. Solange in dieser Hinsicht Zweifel herrschen, aber auch solange sie noch nicht geherrscht haben, sind wir noch innerhalb der nihilistischen Passage, diesseits der Linie.“
„Wir leben in Zeiten, in denen ununterbrochen fragenstellende Mächte an uns herantreten. Und diese Mächte sind nicht nur von idealer Wißbegier erfüllt. Indem sie sich mit ihren Fragen nähern, erwarten sie von uns nicht, daß wir einen Beitrag zur objektiven Wahrheit liefern, ja nicht einmal, daß wir zur Lösung von Problemen beitragen. Sie legen nicht auf unsere Lösung, sie legen auf unsere Antwort Wert.“
„Gibt es doch auch in unseren Wüsten Oasen, in denen die Wildnis blüht.“
„Die Freiheit aber wohnt nicht im Leeren, sie haust vielmehr im Ungeordneten und Ungesonderten, in jenen Gebieten, die zwar organisierbar, doch nicht zur Organisation zu zählen sind. Wir wollen sie die Wildnis nennen; sie ist der Raum, aus dem der Mensch nicht nur den Kampf zu führen, sondern aus dem heraus er auch zu siegen hoffen darf. Das ist dann freilich keine romantische Wildnis mehr. Es ist der Urgrund seiner Existenz, das Dickicht, aus dem er eines Tages wie ein Löwe hervorbrechen wird.“
„Desgleichen ist Skepsis nicht zu empfehlen, besonders nicht jene Skepsis, die sichtbar macht. Die Geister, die den Zweifel verwaltet haben und von ihm profitieren, sind nunmehr weithin in den Besitz der Macht gekommen, und nun ist ihnen gegenüber der Zweifel Sakrileg. Sie fordern für sich und ihre Lehren und ihre Kirchenväter Verehrung, wie sie nie ein Kaiser, ein Papst für sich in Anspruch nahm. Hier noch zu zweifeln, möge wagen, wer Folter und Zwangsarbeit nicht scheut. Es werden nicht viele sein. Sich sichtbar machen auf solche Weise heißt dem Leviathan gerade den Dienst erweisen, der ihm behagt, für den er Heere von Polizisten unterhält. Solches den Unterdrückten anzuraten, etwa vom sicheren Rundfunkpulte aus, ist rein verbrecherisch. Vor jenen, die reden, haben die heutigen Tyrannen keine Angst. Das mochte noch in den guten alten Zeiten des absoluten Staates möglich sein. Viel fürchterlicher ist das Schweigen – das Schweigen der Millionen und auch das Schweigen der Toten, das von Tag zu Tage tiefer wird. und das nicht Trommeln übertönen, bis es dann das Gericht beschwört. Im Maße, in dem der Nihilismus normal wird, werden die Symbole der Leere fürchterlicher als die der Macht.“
„Damit erhebt sich die Frage, ob selbst auf beschränktem Felde noch Freiheit möglich ist. Gewiß ist sie nicht durch Neutralität gegeben – vor allem nicht durch jene scheußliche Illusion der Sicherheit, die jenen sich zu moralisieren unterfängt, der in der Arena steht.“
„Es ist vorauszusehen, diiß die Beschneidung der Freiheit noch währen wird. Sie ist auch dort vorhanden, wo man sich auf naive Weise im Besitze des Entschlusses wähnt. Ist es ein Unterschied, ob völkermordende Mittel im Auftrage tyrannischer Oligarchen oder auf Parlamentsbeschluß ersonnen und gehäuft werden? Gewiß ein Unterschied: im Zweiten wird der universale Zwang noch deutlicher. Die Furcht herrscht über allen, wenn sie sich auch hier als Tyrannis und dort als Fatum offenbaren mag. Solange sie regiert, wird alles im dumpfen Kreis umhergeführt, und aufden Waffen ruht unheilvoller Glanz.“
„Der Mangel wird dort am wenigsten spürbar werden, wo Gottesdienst genügt – im orthodoxen Kern. Er ist vielleicht der einzige, der die Linie unzersetzt passiert, oder, wenn erzersetzt wird, ungeheure Veränderungen bringt. Der Mangel wird auch bei den Protestanten stärker als bei den Katholiken auftreten, daher wird auch bei ihnen das Streben stärker auf den weltlichen Umtrieb und die Wohlfahrt gerichtetsein. Den geistigen Spitzen wird die Entscheidung in keinem Falle abzunehmen sein. Das treibt dazu, daß theologische Themen immer stärker in die Literatur eindringen.“
„Weit hoffnungsvoller ist es, daß die Einzelwissenschaftenvon sich aus zu Bildern vordringen, die einer theologischen Deutung fähig sind – vor allem die Astronomie, die Physik und die Biologie. Sie scheinen aus der Expansion sich wieder der Verdichtung anzunähern, der begrenzteren, schärferen und damit vielleicht auch menschlicheren Sicht, vorausgesetzt, daß man das Wort neu konzipiert. Man wird sich hier vor vor eiliger Ausdeutung hüten müssen, am besten sprechen die Ergebnisse. Den Experimenten werden jetzt neue Fragen unterlegt. Das bringt auch neue Antworten. Zu ihrer Zusammenfassung wird die Philosophie nicht ausreichen.“
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