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„Von der Gestalt aus, die selbst ruht, wird die Welt als Bewegung begriffen, von den Atomen bis zu den Galaxien. Wir sehen, was Maß und Zahl betrifft, die Einzelheiten ungemein scharf, während Sinn und Ziel des Ganzen uns immer mehr zu entgleiten scheint. Doch gerade Präzision und Ineinandergreifen der Einzelheiten lassen vermuten, daß etwas »dahinter steckt«, nicht etwa im Sinn von »Hinterwelten«, sondern des »Innern der Natur«.“
„Die Welt wird von Uhren erfüllt, wird selbst zum Uhrwerk; die Zeit wird kostbarer und unerträglicher. All diese Uhren zählen und messen, aber sie sind auch, wie die Furcht vermutet, auf eine Stunde gestellt.“
„Hesiod berichtet von Zeiten großen Überflusses, in denen ein Tag der Arbeit für ein Jahr der Ernte ausreichte. Auch in dieser Hinsicht nähert sich die Steinzeit am ersten dem Goldenen Zeitalter. Das beruht nicht auf der geringeren Zahl derMenschen, bei der ein größerer Anteil am Segen der Erde auf den Einzelnen entfiel. Die geringe Zahl gehört allerdings zum Bilde des Zeitalters, wie zu dem des unserendie Milliardenbevölkerung. Es beruht auch nicht auf dem besseren Klima und seiner Fruchtbarkeit. Wohl dürfen wir hier an Gewächse denken wie an den Brotbaum Polynesiens, der eine Familie ernährt, an die Banane, Musa paradisiaca, deren Früchte von den Entdeckern auch Adams- oder Paradiesfeigen genannt wurden, auch an den Mais mit seiner Riesenähre – an Zeugen eines reicheren Wachstums, die wie Zweige über die Mauer eines alten Gartens in unsere Zeit hereinragen. Wir müssen aber auch die unerschöpflichen Herden an den waldlosen Rändern der großen Vereisungen dazurechnen. Auch sie ragen in die Gegenwart hinein, als die gewaltigen Büffelherden der nordamerikanischen Prärien, die Rentierherdender Tundren und die Vogelberge der Arktis; dazu passen die Ströme, in denen der Lachs Rücken an Rücken steht.“
„Wir sehen kein Opfer, aber wir zahlen einen Zoll.“
„Daß die großen Prozesse dennoch weiterlaufen, ist ein Beweis dafür, daß es sich hier um einen Vorgang handelt, der die bürgerliche Welt und ihre Wertungen übergreift. Die Zahl der großen und kleinen Katastrophen kündet deutlich an, daß die private Sphäre den Aufgaben, die sie für sich in Anspruch nahm, nicht mehr gewachsen ist. Dies muß notwendig zu Maßnahmen führen, die mit dem alten Freiheitsbegriff nicht in Einklang zu bringen sind und auf die im einzelnen nicht eingegangen werden kann. So muß die Gewährung von Subventionen Eingriffe indie Unabhängigkeit der Wirtschaft und die Führung des Konkurrenzkampfes nach sich ziehen, und so gehören zu den natürlichen Folgen von Arbeitslosenunterstützungen schwere Beschränkungen der individuellen Grundrechte, wie der Freizügigkeit und des freien Gebrauches der Kündigung.“
„Nach dem Erdbeben schlägt man auf die Seismographen ein. Man kann jedoch die Barometer nicht für die Taifune büßen lassen, falls man nicht zu den Primitiven zählen will.“
„Wenn man die negative Seite der Reduktion betrachtet, so erscheint als ihr vielleicht bedeutendstes Kennzeichen die Zurückführung der Zahl auf die Ziffer oder auch der Symbole auf die entblößten Beziehungen. Das erzeugt dann den Eindruck einer von Gebetsmühlen erfüllten Einöde, die unter dem gestirnten Himmel kreist. Ununterbrochen wird die Meßbarkeit aller Verhältnisse wichtiger. Man konsekriert noch, obwohl man nicht mehr an die Verwandlung glaubt. Dann deutet man die Verwandlung um, macht sie verständlicher.“
„Die Freiheit aber wohnt nicht im Leeren, sie haust vielmehr im Ungeordneten und Ungesonderten, in jenen Gebieten, die zwar organisierbar, doch nicht zur Organisation zu zählen sind. Wir wollen sie die Wildnis nennen; sie ist der Raum, aus dem der Mensch nicht nur den Kampf zu führen, sondern aus dem heraus er auch zu siegen hoffen darf. Das ist dann freilich keine romantische Wildnis mehr. Es ist der Urgrund seiner Existenz, das Dickicht, aus dem er eines Tages wie ein Löwe hervorbrechen wird.“
„An Plätzen, wo die Diktatur schon stark gefestigt ist, würden neunzig Prozent Bejahungen schon zu stark abfallen. Daß sich in jedem Zehnten ein geheimer Gegner verbirgt: den Gedanken kann man den Massen nicht zumuten. Dagegen würde eine Zahl von ungültigen und Gegenstimmen, die sich um zwei Prozent herum bewegt, nicht nur erträglich, sondern auch günstig sein. Diese beiden Prozente wollen wir nun nicht einfach als taubes Metall betrachten und abstreichen. Sie sind der näheren Betrachtung wert. Man findet heute das Ungeahnte gerade in den Rückständen.“
„Das Mißtrauen wächst mit der Zustimmung. Je näher der Anteil der guten Stimmen den hundert Prozent kommt, desto größer wird die Zahl der Verdächtigen, denn es ist anzunehmen, daß nun die Träger des Widerstandes aus einer statistisch faßbaren Ordnung hinüberwechselten in jene unsichtbare, die wir als den Waldgang ansprechen. Nunmehr muß jeder überwacht werden. Die Ausspähung schiebt ihre Organe in jeden Block, in jedes Wohnhaus vor. Sie sucht selbst in die Familien einzudringen und erreicht ihre letzten Triumphe in den Selbstbezichtigungen der großen Schauprozesse: hier sehen wir das Individuum als seinen eigenen Polizisten auftreten und an seiner Vernichtung mitwirken. Es ist nichtmehr, wie in der liberalen Welt, unteilbar, sondern durch den Staat in zwei Hälften zerlegt, in eine schuldige und eine andere, die sich anschuldigt.“
„Wer einmal den Brand einer Hauptstadt, den Einmarsch östlicher Heere erlebt hat, der wird nie ein waches Mißtrauen verlieren gegenüber allem, was man besitzen kann. Das kommt ihm zugute, denn er wird zu jenen zählen, die ohne allzu großes Bedauern ihrem Hofe, ihrem Hause, ihrer Bibliothek den Rücken kehren, falls es nötig wird. Ja er wird merken, daß damit zugleich ein Akt der Freiheit verbunden ist. Nur wer sich umblickt, erleidet das Schicksal von Lots Weib.“
„Zum Mythischen kehrt man nicht zurück, man begegnet ihm wieder, wenn die Zeit in ihrem Gefüge wankt, und im Bannkreis der höchsten Gefahr. Auch heißt es nicht, der Weinstock oder — sondern es heißt: der Weinstock und das Schiff. Es wächst die Zahl derjenigen, die das Schiff verlassen wollen und unter denen auch scharfe Köpfe und gute Geister sind. Im Grunde heißt das, auf hoher See aussteigen. Dann kommen der Hunger, der Kannibalismus und die Haifische, kurz, alle Schrecken, die uns vom Floße der »Medusa« berichtet sind. Es ist daher auf alle Fälle rätlich, an Bord und auf Deck zubleiben, selbst auf die Gefahr hin, daß man mit in die Luftfliegen wird.“
„Man kann sich das durch Zahlen veranschaulichen: Zugleich mit einem Jahrzehnt kann ein Jahrtausend, ein Jahrzehntausend oder ein noch größerer Turnus abgelaufen sein. Will man es räumlich sehen, so kann man sich vorstellen, daß ein Grenzbewohner mit einem Schritte sowohl aus seinem Zimmer wie aus seinem Hause und sogar aus seinem Lande heraustreten kann. Wir geben uns über solche Verhältnisse meist wenig Rechenschaft. Wir können die Wirbel eines Tieres durchzählen, ohne wahrzunehmen, daß sie hier einen Teil des Kopf – und dort des Rücken – oder Schwanzskeletts ausmachen. Je mechanischer wir zählen, desto weniger bemerken wir Übergänge dieser Art. Ähnlich verhält es sich mit dem Wechsel der Schicksalszeit unterhalb der Chronologie. Wir zählen weiter, ohne zu bemerken, daß sich nicht nur die Zahl, sondern auch das Wesen der Jahre verändert hat. Sie folgen sich, aber sie gleichen sich nicht mehr.“
„Jede wirkliche Führung bezieht sich auf diese Wahrheit: sie weiß den Menschen an einen Punkt zu bringen, an dem er die Wirklichkeit erkennt. Das wird vor allem deutlich, wenn Lehre und Beispiel sich vereinen – wenn der Bezwinger der Furcht das Todesreich betritt, wie man es an Christus als höchstem Stifter sieht. Das Weizenkorn, indem es starb, hat nicht nur tausendfältig, es hat unendlich Frucht gebracht. Hier wurde der Überfluß der Welt berührt, auf den sich jede Zeugung als zugleich zeitliches und zeitbezwingendes Symbol bezieht. Dem folgten nicht nur die Märtyrer, die stärker waren als die Stoa, stärker als die Cäsaren, stärker als jene Hunderttausend, die sie in die Arena einschlossen. Dem folgten auch die Ungezählten, die in der Zuversicht gestorben sind. Das wirkt noch heute weit zwingender, als es der erste Blick erkennt. Auch wenn die Dome stürzen, bleibt ein Wissen, ein Erbteil in den Herzen und unterhöhlt wie Katakomben die Paläste der Zwingherrschaft. Aus diesem Grunde schon darf man gewiß sein, daß die reine und nach antiken Vorbildern geübte Gewalt nicht auf die Dauer triumphieren kann. Es wurde mit diesem Blute Substanz in die Geschichte eingeführt, und daher zählen wir immer noch mit Recht von diesem Datum ab als von der Zeitwende. Hier herrscht die volle Fruchtbarkeit der Theogonien, mythische Zeugungskraft. Das Opfer wird auf zahllosen Altären wiederholt.“
„Dionysos ist der Festherr, der Führer der Festzüge. Wenn Hölderlin ihn als Gemeingeist anspricht, ist das so zu verstehen, daß auch die Toten zur Gemeinde zählen, ja gerade sie. Das ist der Schimmer, der das dionysische Fest umhüllt, die tiefste Quelle der Heiterkeit. Die Pforten des Totenreiches werden weit aufgestoßen, und goldener Überfluß quillt hervor. Das ist der Sinn der Rebe, in der Erd- und Sonnenkräfte sich vereinen, der Masken, der großen Verwandlung und Wiederkehr.“
„Eine Ordnung der Menschheitsgeschichte unter Richtpunkten, die außerhalb der Kultur- und Völkergeschichte liegen, also etwa den astrologischen ähneln würden, scheint heute besonders schwierig, auch abgesehen von dem großen Anfall an Tatsachen. Dieser besteht nicht nur darin, daß sich, vor allem durch die Ausbildung der Archäologie, unsere Kenntnis der Frühgeschichte erweitert hat und noch fortwährend ausdehnt, so daß nicht nur neues Licht auf die uns bekannten Kulturen fällt, sondern auch ganz unbekannte auftauchen. Dazu kommt der erstaunliche Einblick in die Vorgeschichte, der nicht nur ein neues Feld, sondern eine neue Dimension erschließt. Je mehr Tatsachen anfallen, desto entschiedener muß der Geist auf seinem Herrschaftsanspruch, auf Ordnung und Benennung, bestehen. Vielleicht ist bereits der Andrang von Tatsachen ein Symptom der Schwächung, ein hellenistischer Zug. Der Geist wird zum Museumsdirektor, zum Kustos unkontrollierbarer Sammlungen. Bereits aus diesem Grunde ist Spenglers System mit seiner Einteilung in acht Kulturen dem Toynbees vorzuziehen, das sich auf deren einundzwanzig stützt. Auch diese Zahl könnte durch archäologische Ergebnisse und feinere Einteilung vermehrt werden. Es bleibt aber richtig, daß der Geist der Forschung die Aufträge erteilt, nicht umgekehrt. Tatsachen schaffen Belege, nicht Wahrheiten. Wo geforscht wird, wurde das Feld bereits durch geistige Vetos und Placets abgesteckt. Was gefunden wird, ist daher nicht zufällig.“
„Die Untergangsvorstellungen anläßlich des Erscheinens des Halleyschen Kometen, 1910…. Der Schock, den zwei Jahre später der Untergang der »Titanic« hervorrief…. Um diese Zeit muß Spengler den Satz konzipiert haben: »Der Untergang des Abendlandes ist nichts Geringeres als das Problem der Zivilisation.« Seitdem hat sich die Bedrohung durch die technische Katastrophe immer enger dem Bewußtsein der Völker und der Einzelnen verknüpft. Ununterbrochen ist die Zahl der Opfer angewachsen, die so gebracht werden. Auch kollektive Vorgänge wie Kriege, Bürgerkriege und Großexperimente nehmen die Form der technischen Katastrophen an. Da liegt es nahe, daß auch der Weltuntergang in dieser Form begriffen wird.“
„Hast du etwas, so teile mir’s mit, und ich zahle, was recht ist; // Bist du etwas, o dann tauschen die Seelen wir aus.“
„Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen; // Der Staat muß untergehn, früh oder spät, // Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.“
„Ich, der sich mit allen Malstilen befasst hat, kann Ihnen versichern, dass die einzigen schwankenden Dinge die Wellen der Mode sind, die zu Snobs und Spekulanten führen. Die Zahl der echten Kenner bleibt mehr oder weniger gleich.“
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