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„Diese Rangordnung offenbart sich, indem Ursache und Wirkung nur an der geprägten Form zu begreifen ist, während diese Formen an und für sich bestehen, gleichviel welche Erklärung man ihnen geben, welche Perspektive ihrer Betrachtung man aufsuchen mag. Ohne Zweifel ist jene Anschauung, über welche der naturwissenschaftliche Dünkel sich weit zu erheben glaubte, die Anschauung nämlich, daß jede Form ihren Ursprung einem besonderen Schöpfungsakte (hinter der Lehre von den Mutationen verbirgt sich übrigens eine der Wiederentdeckungen des Wunders durch die moderne Wissenschaft) verdankt, der natürlichen Wirklichkeit weit angemessener als die mechanische Entwicklungstheorie, die für ein Jahrhundert das Wissen von der »lebenden Entwicklung« verdrängte, das unter Entwicklung die Projektion von Urbildern in den der Wahrnehmung zugänglichen Raum verstand.“
„In den Eingangssätzen des »Willens zur Macht“ bezeichnet Nietzsche sich als »den ersten vollkommenen Nihilisten Europas, der aber den Nihilismus selbst schon in sich zu Ende gelebt hat, – der ihn hinter sich, unter sich, außer sich hat«. Gleich darauf folgt die Bemerkung, daß sich in seiner Arbeit bereits eine Gegenbewegung ankünde, welche »in irgendeiner Zukunft« jenen vollkommenen Nihilismus ablösen werde, wenngleich sie ihn als notwendig voraussetze. Obwohl seit der Konzeption dieser Gedanken mehr als sechzig Jahre verflossen sind, wirken sie noch immer erregend auf uns, als Sätze, die sich mit unserem Schicksal beschäftigen. Sie füllten sich inzwischen mit Inhalt, mit gelebtem Leben, mit Taten und Schmerzen an. Das geistige Abenteuer bestätigte und wiederholte sich in der Wirklichkeit. Wenn wir von unserem erreichten Standort auf jene Aussage zurückblicken, scheint sich ein Optimismus in ihr auszudrücken, der späteren Betrachtern fehlt. Der Nihilismus wird also nicht als Ende angesehen, sondern vielmehr als Phase eines ihn umfassenden geistigen Vorganges, wie sie nicht nur die Kultur in ihrem geschichtlichen Verlaufe, sondern auch der Einzelne in seiner persönlichen Existenz in sich zu überwinden und auszutragen oder vielleicht auch wie eine Narbe zu überwachsen vermag.“
„An diesen Symptomen fällt auf den ersten Blick ein Hauptkennzeichen auf, das sich als das der Reduktion bezeichnen läßt. Die nihilistische Welt ist ihrem Wesen nach eine reduzierte und weiter sich reduzierende, wie das notwendig der Bewegung zum Nullpunkt hin entspricht. Das in ihr herrschende Grundgefühl ist das der Reduktion und des Reduziertwerdens. Dagegen kommt die Romantik nicht mehr an, bringt nur einEchoder entschwundenen Wirklichkeit hervor. Der überfluß versiegt; der Mensch empfindet sich als Ausgebeuteter in mannigfachen und nicht nur ökonomischen Beziehungen.“
„Mythos ist keine Vorgeschichte; er ist zeitliche Wirklichkeit, die sich in der Geschichte wiederholt.“
„Die Furcht nimmt immer die Maske, den Stil der Zeiten an. Das Dunkel der Weltraumhöhle, die Visionen der Eremiten, die Ausgeburten der Bosch und Cranach, die Hexen- und Dämonenschwärme des Mittelalters sind Glieder der ewigen Kette der Angst, an die der Mensch wie Prometheus an den Kaukasus geschmiedet ist. Von welchen Götterhimmeln er sich auch befreien möge — die Furcht begleitet ihn mit großer List. Und immer erscheint sie ihm in höchster, lähmender Wirklichkeit. Wenn er in strenge Erkenntniswelten eintritt, wird er den Geist verlachen, der sich mit gotischen Schemen und Höllenbildern ängstigte. Er ahnt kaum, daß er in den gleichen Fesseln gefangen liegt. Ihn freilich prüfen die Phantome im Erkenntnisstil, als Fakten der Wissenschaft. Der alte Wald mag nun zum Forst geworden sein, zur ökonomischen Kultur. Doch immer noch ist in ihm das verirrte Kind. Nun ist die Welt der Schauplatz von Mikrobenheeren; die Apokalypse droht wie je zuvor, wenngleich durch Machenschaften der Physik (nicht nur der Physik! HB). Der alte Wahn blüht in Psychosen, Neurosen fort. Und auch den Menschenfresser wird man in durchsichtiger Verkleidung wiederfinden — nicht nur als Ausbeuter und Treiber in den Knochenmühlen der Zeit. Er mag vielmehr als Serologe inmitten seiner Instrumente und Retorten darüber sinnen, wie man die menschliche Milz, das menschliche Brustbein zum Ausgangsstoff für wunderbare Medizinen nimmt. Da sind wir mitten im alten Dahomey, im alten Mexiko.“
„Jede wirkliche Führung bezieht sich auf diese Wahrheit: sie weiß den Menschen an einen Punkt zu bringen, an dem er die Wirklichkeit erkennt. Das wird vor allem deutlich, wenn Lehre und Beispiel sich vereinen – wenn der Bezwinger der Furcht das Todesreich betritt, wie man es an Christus als höchstem Stifter sieht. Das Weizenkorn, indem es starb, hat nicht nur tausendfältig, es hat unendlich Frucht gebracht. Hier wurde der Überfluß der Welt berührt, auf den sich jede Zeugung als zugleich zeitliches und zeitbezwingendes Symbol bezieht. Dem folgten nicht nur die Märtyrer, die stärker waren als die Stoa, stärker als die Cäsaren, stärker als jene Hunderttausend, die sie in die Arena einschlossen. Dem folgten auch die Ungezählten, die in der Zuversicht gestorben sind. Das wirkt noch heute weit zwingender, als es der erste Blick erkennt. Auch wenn die Dome stürzen, bleibt ein Wissen, ein Erbteil in den Herzen und unterhöhlt wie Katakomben die Paläste der Zwingherrschaft. Aus diesem Grunde schon darf man gewiß sein, daß die reine und nach antiken Vorbildern geübte Gewalt nicht auf die Dauer triumphieren kann. Es wurde mit diesem Blute Substanz in die Geschichte eingeführt, und daher zählen wir immer noch mit Recht von diesem Datum ab als von der Zeitwende. Hier herrscht die volle Fruchtbarkeit der Theogonien, mythische Zeugungskraft. Das Opfer wird auf zahllosen Altären wiederholt.“
„Lange Zeiten der Ruhe begünstigen gewisse optische Täuschungen. Zu ihnen gehört die Annahme, daß sich die Unverletzbarkeit der Wohnung auf die Verfassung gründe, durch sie gesichert sei. In Wirklichkeit gründet sie sich auf den Familienvater, der, von seinen Söhnen begleitet, mit der Axt in der Tür erscheint. Nur wird diese Wahrheit nicht immer sichtbar und soll auch keinen Einwand gegen Verfassungen abgeben. Es gilt das alte Wort: »Der Mann steht für den Eid, nicht aber der Eid für den Mann.« Hier liegt einer der Gründe, aus denen die neue Legislatur im Volke auf so geringe Anteilnahme stößt. Das mit der Wohnung liest sich nicht übel, nur leben wir in Zeiten, in denen ein Beamter dem anderen die Klinke in die Hand drückt.“
„Es ist ein romantischer Gedanke, daß sich ihre Entfesselung, ihre Anwendung im Kampfe auf Leben und Tod durch Gesellschaftsverträge unterbinden läßt. Die Prämisse dieses Gedankens ist, daß der Mensch gut sei – der Mensch ist aber nicht gut, sondern er ist gut und böse zugleich. In jede Berechnung, die der Wirklichkeit standhalten soll, ist einzubeziehen, daß es nichts gibt, dessen der Mensch nicht fähig ist. Die Wirklichkeit wird nicht durch Moralvorschriften, sie wird durch Gesetze bestimmt. Daher ist die entscheidende Frage, die zu stellen ist, die: Gibt es einen Punkt, von dem aus autoritativ zu entscheiden ist, ob die Mittel angewendet werden sollen oder nicht? Daß es einen solchen Punkt nicht gibt, ist ein Zeichen dafür, daß der Weltkrieg keine Weltordnung geschaffen hat, und diese Tatsache ist deutlich genug im Bewußtsein der Völker ausgeprägt.“
„Alles ist so vergeblich wie ein Herumstochern in Asche und so vage wie der Augenblick, bevor der Morgen graut. Und das Licht fällt so vollkommen und heiter auf die Dinge, vergoldet sie so prächtig mit traurig lächelnder Wirklichkeit! Das ganze Mysterium der Welt kommt herab zu mir, bis es vor meinen Augen Banalität und Straße wird. Wie sich doch Alltag und Geheimnis berühren in unserer unmittelbaren Nähe! Hier, an der lichten Oberfläche dieses vielschichtigen menschlichen Lebens, lächelt die Zeit ungewiss auf den Lippen des Mysteriums! Wie modern dies alles klingt! Und im Grunde so alt, so geheimnisvoll, mit einem so anderen Sinn behaftet als dem, der in all dem leuchtet!“
„In der Satire wird die Wirklichkeit als Mangel dem Ideal als der höchsten Realität gegenüber gestellt.“
„Satirisch ist der Dichter, wenn er die Entfernung von der Natur und den Widerspruch der Wirklichkeit mit dem Ideale (in der Wirkung auf das Gemüt kommt beides auf eins hinaus) zu seinem Gegenstande macht. Dies kann er aber sowohl ernsthaft und mit Affekt als scherzhaft und mit Heiterkeit ausführen; je nachdem er entweder im Gebiete des Willens oder im Gebiete des Verstandes verweilt. Jenes geschieht durch die strafende oder pathetische, dieses durch die scherzhafte Satire.“
„Bei allen Tugenden, bei allen Pflichten sucht man nur den Schein; ich suche die Wirklichkeit.“
„Die Menschen sind böse; eine traurige und fortdauernde Erfahrung erübrigt den Beweis; jedoch, der Mensch ist von Natur aus gut, ich glaube es, nachgewiesen zu haben; […] Man bewundere die menschliche Gesellschaft, soviel man will, es wird deshalb nicht weniger wahr sein, dass sie die Menschen notwendiger Weise dazu bringt, sich in dem Maße zu hassen, in dem ihre Interessen sich kreuzen, außerdem sich wechselseitig scheinbare Dienste zu erweisen und in Wirklichkeit sich alle vorstellbaren Übel zuzufügen.“
„Niemand kümmert sich mehr um die Wirklichkeit; alle setzen ihr Wesen in den Schein. Als Sklaven und Narren ihrer Eigenliebe leben sie dahin, nicht um zu leben, sondern um andere glauben zu machen, sie hätten gelebt.“
„Die Port Lligat-Madonna, die ich gerade vollendet habe und die hier erstmals ausgestellt wird, ist die Antwort auf das Versprechen, das ich dem Publikum auf den letzten Seiten meines ‚Geheimen Lebens‘ [Autobiografie d. K. ] gegeben habe: Die surrealistische Erfahrungen meines Lebens mit der großen klassischen Tradition der Malerei zu verbinden. Die dalinischen Symbole, die oberflächlichen Gemütern früher als Paradebeispiel willkürlicher Ausgeburten erschienen waren, offenbaren plötzlich ihre mystische Bedeutung, die sie in Wirklichkeit schon immer hatten… Die offenen, in den menschlichen Körper geschnittenen Räume werden ‚Mystische und Jungfräuliche Tabernakel‘.“
„Die Wissenschaft, die uns den Schlüssel zur Macht über die Welt zu liefern scheint, entfernt uns in Wahrheit von der Wirklichkeit der Macht, die nur aus der totalen, blitzhaften Intuition des Wirklichen entstehen kann. Rationalismus und Erfahrung sind nur Kontrollinstrumente. Allein die irrationalen Fähigkeiten schließen uns die Pforten des Universums auf. Die Kunst ist eine Schule der tiefen Erkenntnisse und der Initiation.“
„Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.“
„[Die Seele] ist an ihren Körper gefesselt und mit ihm verwachsen, gezwungen die Wirklichkeit durch den Körper zu sehen wie durch Gitterstäbe, anstatt durch ihre eigene ungehinderte Sicht.“
„Für uns gibt es so etwas wie die Philosophie als solche überhaupt nicht. Denn wie auch immer man diesen Schatten der Wissenschaft, diese graue Eminenz der Humanität, betrachten mag, sie ist nur eine hypostatierte Abstraktion. In Wirklichkeit gibt es nur Philosophien.“
„Eines der Hauptmotive des künstlerischen Schaffens ist gewiß das Bedürfnis, uns gegenüber der Welt wesentlich zu fühlen.Erzählen heißt: der Wirklichkeit zur Wirksamkeit zu verhelfen.“
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