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„Das Hineinwirken des menschlichen Planes ist eigentlich ein Hinauswirken; es ist ein Mit- und Gegenspiel, in dem auch das gewaltige Schauspiel der Freiheit sich ausdrückt, das Hegel auf geniale Weise durchdrungen hat. Diese Freiheit beruht auf der Vorgabe eines mächtigen Schachspielers: er verzichtet auf die stärkste Figur.“
„Hesiod sagt von den Menschen des Goldenen Zeitalters: »– Ganz nach Gefallen // Schufen sie ruhig ihr Werk und waren in Fülle gesegnet, // Reich an Herden und Vieh, geliebt von den seligen Göttern.« Erst von den Menschen des Erzenen Zeitalters heißt es: »– diese betrieben Ares’ Jammergeschäfte und Frevel.« Auch heute sind die Spiegelungen des Goldenen Zeitalters stärker als alle anderen. Ihm entstammt der Mensch Rousseaus, während der Norde das Erzene Zeitalter vertritt.“
„Auch am Materialismus ist zu unterscheiden zwischen seiner sichtbaren und seiner unsichtbaren Macht, zwischen seiner Oberflächen- und seiner Grundströmung, zwischen der Art, in der er durch Menschen vertreten und begründet wird, und seinem schicksalhaften Zug. Die große Gewalt, mit der er auf dem Erdkreis »mit dem Hammer« die alten Gesetze bricht, deutet auf einen stärkeren Auftrag als den rationalen hin. Daraus eben erklärt sich, daß er mit stets wachsender Gewalt seinen Siegeszug fortsetzt, obwohl die Theorien, die ihn vertreten, so oft und so gründlich durch glänzende konservative Geister widerlegt worden sind. Aber widerlegt man denn ein Erdbeben? Eher baut man die Städte um. Hier wiederholt sich das Schauspiel, daß der Geist, und insbesondere der gebildete Geist, eine Veränderung deshalb unterschätzt, weil sie nicht in seine Kategorien paßt. Aber er kann nicht durchdringen, weil die Kategorien selbst, etwa seine Kultur oder sein Geschichtsbild, erschüttert sind. Nun greifen die bewährten Mittel nicht mehr. So sah der Mandarin die weißen Teufel in den Häfen landen, so sah dergebildete Grieche die ersten Christen, das Zeichen des Fisches, an.“
„Es gibt eine nihilistische Medizin, deren Kennzeichen darin liegt, daß sie nicht heilen will, sondern andere Zwecke verfolgt, und diese Schule breitet sich aus. Ihr entspricht ein Patient, der in der Krankheit verharren will. Auf der anderen Seite läßt sich von einer speziellen Gesundheit sprechen, die in den Kreis der nihilistischen Erscheinungen gehört, von einer propagandistischen Frische, die einen starken Eindruck der physischen Unbedenklichkeit erweckt. Man wird sie bei den privilegierten Schichten treffen, sowie in Phasen der Konjunktur, die mit Komfort verbunden sind.“
„Der Mangel wird dort am wenigsten spürbar werden, wo Gottesdienst genügt – im orthodoxen Kern. Er ist vielleicht der einzige, der die Linie unzersetzt passiert, oder, wenn erzersetzt wird, ungeheure Veränderungen bringt. Der Mangel wird auch bei den Protestanten stärker als bei den Katholiken auftreten, daher wird auch bei ihnen das Streben stärker auf den weltlichen Umtrieb und die Wohlfahrt gerichtetsein. Den geistigen Spitzen wird die Entscheidung in keinem Falle abzunehmen sein. Das treibt dazu, daß theologische Themen immer stärker in die Literatur eindringen.“
„All diese Enteignungen, Abwertungen, Gleichschaltungen, Liquidationen, Rationalisierungen, Sozialisierungen, Elektrifizierungen, Flurbereinigungen, Aufteilungen und Pulverisierungen setzen weder Bildung noch Charakter voraus, die beide den Automatismus eher schädigen. Wo daher in der Werkstättenlandschaft auf die Macht geboten wird, erhält derjenige den Zuschlag, in dem sich das Bedeutungslose durch starken Willen überhöht.“
„In einer Millionenstadt leben zehntausend Waldgänger, wenn wir uns dieses Namens bedienen wollen, ohne noch seine Tragweite zuübersehen. Das ist eine gewaltige Macht. Sie ist zum Sturz auch starker Zwingherren hinreichend. Die Diktaturen sind ja nicht nur gefährlich, sie sind zugleich gefährdet, da die brutale Kraftentfaltung auch weithin Abneigung erregt. Insolcher Lage wird die Bereitschaft winziger Minderheitenbedenklich sein, vor allem, wenn sie eine Taktik entwickelten.“
„An Plätzen, wo die Diktatur schon stark gefestigt ist, würden neunzig Prozent Bejahungen schon zu stark abfallen. Daß sich in jedem Zehnten ein geheimer Gegner verbirgt: den Gedanken kann man den Massen nicht zumuten. Dagegen würde eine Zahl von ungültigen und Gegenstimmen, die sich um zwei Prozent herum bewegt, nicht nur erträglich, sondern auch günstig sein. Diese beiden Prozente wollen wir nun nicht einfach als taubes Metall betrachten und abstreichen. Sie sind der näheren Betrachtung wert. Man findet heute das Ungeahnte gerade in den Rückständen.“
„Wäre es… möglich, zugleich auf dem Schiff zu bleiben und sich die eigene Entscheidung vorzubehalten – das heißt, die Wurzeln nicht nur zu wahren, sondern auch zu stärken, die noch dem Urgrund verhaftet sind. Das ist die eigentliche Frage unserer Existenz.“
„Der Ort der Freiheit ist ein ganz anderer als bloße Opposition, ein anderer auch, als ihn die Flucht gewähren kann. Wir nannten ihn den Wald. Dort gibt es andere Mittel als ein Nein, das man in den dazu vorgesehenen Umkreis setzt. Wir sahen freilich, daß bei dem Stande, zu dem die Dinge vorgeschritten sind, vielleicht nur einer unter hundert zum Waldgang fähig ist. Es handelt sich aber nicht um Zahlenverhältnisse. Bei einem Theaterbrande genügt ein klarer Kopf, ein starkes Herz, um einer Panik von tausend Menschen Einhalt zu gebieten, die sich gegenseitig zu erdrücken drohen und der tierischen Angst nachgeben.“
„Wo der Verstand dem Urphänomen begegnet, stößt er auf Stärkeres. Hier muß er haltmachen; hier kann ihm ein Damaskus zuteil werden. Erst hier erfährt der Trieb, der ihn bewegte, die wahre Befriedigung. »Denn alle Lust will Ewigkeit.« Das gilt auch für das Wissen und seine Unersättlichkeit. Dort endet die faustische Welt.“
„Der Mensch ist zu stark in die Konstruktionen eingetreten, er wird zu billig und verliert den Grund. Das bringt ihn den Katastrophen nahe, den großen Gefahren und dem Schmerz. Sie drängen ihn in das Ungebahnte, führen ihn der Vernichtung zu. Doch seltsam ist es, daß er gerade dort, geächtet, verurteilt, flüchtend, sich selbst begegnet in seiner unaufgeteilten und unzerstörbaren Substanz. Damit durchdringt er die Spiegelbilder und erkennt sich in seiner Macht.“
„Jede wirkliche Führung bezieht sich auf diese Wahrheit: sie weiß den Menschen an einen Punkt zu bringen, an dem er die Wirklichkeit erkennt. Das wird vor allem deutlich, wenn Lehre und Beispiel sich vereinen – wenn der Bezwinger der Furcht das Todesreich betritt, wie man es an Christus als höchstem Stifter sieht. Das Weizenkorn, indem es starb, hat nicht nur tausendfältig, es hat unendlich Frucht gebracht. Hier wurde der Überfluß der Welt berührt, auf den sich jede Zeugung als zugleich zeitliches und zeitbezwingendes Symbol bezieht. Dem folgten nicht nur die Märtyrer, die stärker waren als die Stoa, stärker als die Cäsaren, stärker als jene Hunderttausend, die sie in die Arena einschlossen. Dem folgten auch die Ungezählten, die in der Zuversicht gestorben sind. Das wirkt noch heute weit zwingender, als es der erste Blick erkennt. Auch wenn die Dome stürzen, bleibt ein Wissen, ein Erbteil in den Herzen und unterhöhlt wie Katakomben die Paläste der Zwingherrschaft. Aus diesem Grunde schon darf man gewiß sein, daß die reine und nach antiken Vorbildern geübte Gewalt nicht auf die Dauer triumphieren kann. Es wurde mit diesem Blute Substanz in die Geschichte eingeführt, und daher zählen wir immer noch mit Recht von diesem Datum ab als von der Zeitwende. Hier herrscht die volle Fruchtbarkeit der Theogonien, mythische Zeugungskraft. Das Opfer wird auf zahllosen Altären wiederholt.“
„Es liegt in der Natur der Dinge, daß die Erziehung heute auf das genaue Gegenteil gerichtet ist. Niemals herrschten über den Geschichtsunterricht so seltsame Vorstellungen. Die Absicht in allen Systemen richtet sich auf Unterbindung des metaphysischen Zustroms, auf Zähmung und Dressur im Sinne des Kollektivs. Selbst dort, wo der Leviathan auf Mut sich angewiesen sieht, wie auf dem Schlachtfeld, wird er darauf sinnen, dem Kämpfer eine zweite und stärkere Bedrohung vorzuspiegeln, die ihn am Platze hält. In solchen staaten verläßt man sich auf die Polizei.“
„Die Ärzte zu meiden, sich auf die Wahrheit des Körpers zu verlassen, doch freilich ihrer Stimme auch zu lauschen, ist für den Gesunden das beste Rezept. Das gilt auch für den Waldgänger, der sich auf Lagen zu rüsten hat, in denenalle Krankheiten zum Luxus gerechnet werden, außer den tödlichen. Welche Meinung man immer von dieser Welt der Krankenkassen, Versicherungen, pharmazeutischen Fabriken und Spezialisten hegen möge: stärker ist jener, der auf das alles verzichten kann.“
„Bekanntlich ist das Grundgefühl unserer Epoche dem Eigentum feindlich und zum Zugriff auch dort geneigt, wo nicht nur der Betroffene, sondern auch das Ganze geschädigt wird. Man sieht, wie Äcker, die durch dreißig Geschlechter Besitzer und Pächter nährten, zerstückelt werden auf eine Weise, die alle darben läßt. Man sieht den Kahlschlag von Wäldern, die durch Jahrtausende Holz brachten. Man sieht die Hühner, die goldene Eier legten, über Nacht geschlachtet werden, um öffentliche Suppen aus ihrem Fleisch zu kochen, die niemand sättigen. Man tut gut, wenn man sich mit diesem Schauspiel abfindet, obwohl es starke Rückschläge erwarten läßt, da es neue, zugleich intelligente und entwurzelte Schichten in die Gesellschaft einführen wird. In dieser Hinsicht lassen sich, besonders für England, merkwürdige Dinge voraussagen.“
„Es bereiten sich nicht nur neue Anklagen, sondern auch eine neue Lesart des alten »Eigentum ist Diebstahl« vor. Solche Theorien sind schneidender von seiten des Ausgeplünderten als von denen des Plünderers, der mit ihrer Hilfe den Raub sich sichern will. Längst übersättigt, frißt er immer neuen Raum in sich hinein. Es gibt indessen auch andere Lehren, die aus der Zeit gezogen werden können, und man darf sagen, daß die Ereignisse nicht spurlos vorbeigegangen sind. Das gilt vor allem für Deutschland; hier war der Ansturm der Bilder besonders stark. Er brachte tiefe Veränderungen mit. Solche Veränderungen werden erst spät in Theorien sichtbar; sie wirken zunächst auf den Charakter ein. Das gilt auch für die Beurteilung des Eigentums; sie löst sich von den Theorien ab. Die ökonomischen Theorien sind in den zweiten Rang getreten, während zugleich sichtbar wurde, was Eigentum ist.“
„Mit der Wiederkehr zieht etwas Stärkeres in den Menschen ein als die Erinnerung. Es wird identisch mit ihm, wie Mann und Frau identisch werden in der Zeugung, in der zeitlose Schöpfungsmacht in das zeitliche Leben wiederkehrt. Ohne Wiederkehr gibt es nur noch Daten, doch keine Feste mehr.“Ernst Jünger, An der Zeitmauer, 1959, in: Sämtliche Werke, 2. Abteilung, Band 8, S. 437„Die Menschen werden mächtiger und reicher, aber nicht glücklicher. Im Maße, in dem die Mittel wachsen, entschwindet die Zufriedenheit. Wahrscheinlich sind dieser Schwund und dieses Wachstum aufeinander angelegt: es muß Glück konsumiert werden.“
„Nun aber gehört es zu den Eigentümlichkeiten des menschlichen Geistes, daß ihn die Anordnung und Anreihung des Ähnlichen zwar stark beschäftigt, doch nicht befriedigt, solange die Frage nach der Quelle der Vergleiche und nach der gemeinsamen Komposition der Akte und Auftritte des großen Schauspiels offen bleibt. Die reine Vergleichung schafft Relationen, nicht Maßstäbe. Es bleibt die Frage nach der inneren Einheit der mannigfaltigen Erscheinungen und Abläufe über die Ähnlichkeit hinaus. Die Ähnlichkeit ist ja nicht nur ein unerschöpfliches Feld der Deutung, sondern weist auch auf unerschöpfliche Bedeutung hin, auf Schöpfung selbst.“
„Die Ironie ist Männersache wie das Schachspiel oder die Philosophie… Den Frauen steht sie nicht zu und nicht an. Sie haben andere Mittel und sind umso stärker, je mehr sie die Macht auf das Geschlecht gründen. Die Macht der Ironie liegt im Geist. Sie geht auf Kosten des Eros, und die beiden sind in kein Bett zu zwingen oder höchstens in ein sehr künstliches.“
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