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„Im gleichen Maße,… in dem der deutsche Wille an Schärfe und Gestalt gewinnt, wird für den Juden auch der leiseste Wahn, Deutscher sein zu können, unvollziehbarer werden, und er wird sich vor seiner letzten Alternative sehen, die lautet: In Deutschland Jude zu sein oder nicht zu sein.“
„Von der Gestalt aus, die selbst ruht, wird die Welt als Bewegung begriffen, von den Atomen bis zu den Galaxien. Wir sehen, was Maß und Zahl betrifft, die Einzelheiten ungemein scharf, während Sinn und Ziel des Ganzen uns immer mehr zu entgleiten scheint. Doch gerade Präzision und Ineinandergreifen der Einzelheiten lassen vermuten, daß etwas »dahinter steckt«, nicht etwa im Sinn von »Hinterwelten«, sondern des »Innern der Natur«.“
„Unsere Hoffnung ruht in den jungen Leuten, die an Temperaturerhöhung leiden, weil in ihnen der grüne Eiter des Ekels frißt, in den Seelen von Grandezza, deren Träger wir gleich Kranken zwischen der Ordnung der Futtertröge einherschleichen sehen. Sie ruht im Aufstand, der sich der Herrschaft der Gemütlichkeit entgegenstellt und der der Waffen einer gegen die Welt der Formen gerichteten Zerstörung, des Sprengstoffes, bedarf, damit der Lebensraum leergefegt werde für eine neue Hierarchie.“
„Heute, nach dreißig Jahren, ist nicht zu leugnen, daß sich in diese Visionen konkrete Züge einzeichneten. Was in Afrika, vom Nordrand bis zur Südspitze, in Ost- und Südasien, in Nord- und Südamerika in so kurzer Spanne geschah und geschieht – in China, Algerien, Indien, Ägypten, am Kongo, auf Kuba, um einige Brennpunkte zu nennen – das geht weit über eine Reihe von Aufständen und Befreiungskämpfen hinaus. Das Feuer, das nicht mehr, und vor allem nicht mit Blut, zu löschen ist, greift indessen auch über den Gegensatz von Weißen und Farbigen hinaus. Es trägt alle Kennzeichen des Weltbrandes. Nicht diese oder jene Rasse, die Spezies wird in Frage gestellt. Diesen seinen wahren Umfang, aus dessen Kenntnis allein nicht nur richtige Schlüsse, sondern auch Entschlüsse, Entscheidungen, zu gewinnen sind, hat ~pengler nicht gesehen. Er konnte ihn nicht sehen und würde, wenn er noch lebte, heute weniger denn je dazu imstande sein. Er sah Symptome, und da diese sich inzwischen krisenhaft verstärkten, würden sie ihm die Diagnose bestätigen.“
„Der Mensch könnte einen Fehlsprung gewagt haben wie Nietzsches Seiltänzer. Es wäre aber verfehlt, den Arbeiter als den Übermenschen zu sehen oder als platonische Idee – eher schon als Gestalt im Sinne von Goethes Urpflanze. Sie ist auch kein Typus, sondern hat typenbildende Kraft.“
„Es handelt sich aber bei der Diskussion über das Experiment nur umSpitzenbegegnungen. Im Hintergrunde wirkt, unfaßbar und ungesondert, nichtetwa das experimentelle Denken, sondern die proteushafte Macht, die dieses Denken bewegt. Daher sehen wir die Diskussion um das Experiment nicht nur auf diesem einen, sondern auf vielen und wechselnden Gebieten entbrannt. Sie füllt einen Teil der Tagespolemik aus. Hierin liegt der Grund dafür, daß zahlreiche undverständige Verbote erlassen werden und daß sie am Schube nichts ausrichten, ihnoft noch beschleunigen. Er liegt darin, daß das Experiment und die mit ihm verbundene spezielle Intelligenz bei der Entstehung der neuen Welt nur Hilfestellungleisten, nicht unmittelbar hervorbringen.“
„Der Materialismus wird von seinen Gegnern mit den Beinamen »flach« oder »platt« versehen. Das gilt auch für seine Oberfläche, seinen sichtbaren Teil, auf dem er als eine Kategorie des Rationalismus erscheint. Jedoch in der also erkannten und auch geglaubten Materie verbirgt sich mehr und anderes. Sie scheint notwendig flacher, wo sie »begründet« wird. Sie spricht durch Tatsachen, durch Wunder sogar. Der Verstand hat sich hier auf eine Begegnung, auf ein Abenteuer eingelassen, dessen Folgen unabsehbar sind. Sie sind auch unausweichlich, und zwar deshalb, weil die Materie, die Erde als Mutter, von sich aus sich zu regen beginnt und der Mensch als ihr Sohn diese Regung begreift. Diese Regung und dieses Begreifen dürfen wir nicht in Ursache und Wirkung auflösen. Wir müssen es eher im spiegelbildlichen Nebeneinander als im zeitlichen Nacheinander sehen.“
„Der Widerspruch löst sich, wenn wir die Gebilde, die uns zur Zeit erstaunen und beunruhigen, als Verdichtung finaler Anstrengungen sehen. Im Augenblick, in dem die Erde als solche ihre Ordnung findet, muß sowohl die Bedeutung der Grenzen wie auch der Staaten dahinschwinden. Das Wesen des Staates wird vor allem dadurch bestimmt, daß es andere Staaten gibt. Das führt, besonders an den Grenzen, zu spiegelbildlichen Erscheinungen. Wenn wir die planetarische Ordnung den Weltstaat nennen, so ist das ein Name ohne Inhalt, denn es ist vorauszusehen, daß er mit den historischen Staaten wenig gemein haben wird.“
„Bei Nietzsche wird das deutlich; er hat das Leben eines Unbehausten, in Hölderlins Sinne Unstädtischen, geführt. Er hat sich inmitten des 19. Jahrhunderts in der Landschaft bewegt, in der erdgeistige Seher wie Chiron und Melampus heimisch gewesen sind. Adler und Schlange: das ist kentaurischer Geist, ist große, erdgeistige Wiederkehr.“
„Nach entsprechenden Anzeichen wurde früher, als noch eine ausgeprägte Mantik bestand, schärfer Ausschau gehalten. Man bemühte sich, jede Veränderung, und vor allem solche, die am Himmel beobachtet wurden, im Zusammenhang zu sehen. Hierfür ist der Blick immer mehr verloren gegangen. Auch in der Naturwissenschaft weichen Theorien von harmonischem Charakter solchen von mechanistischer Rasanz. Daher kommt es, daß großartige Zusammenfassungen wie Humboldts »Kosmos« nicht mehr möglich sind.“
„Würden wir, ähnlich den Lichtaugen, Augen für die Wahrnehmung elektrischer Ströme und Felder besitzen, so würde uns die große Verwandlung unmittelbar sichtbar sein. Daß unsere Städte zu Lichtburgen werden, ist nur ein Abglanz, eine Abzweigung davon. Wir würden sehen, daß die Erdhülle nach kurzer Dämmerung leuchtend geworden ist. Wir würden unter dieser Aura ein glühendes Netz sehen und überall webende und rotierende Bewegungen. Ihr Schimmer würde durchbrochen werden durch die Emanationen einer Unzahl von Vulkanen, die, besonders von den gemäßigten Gürteln des Planeten, einen immer stärkeren Glanz, eine blendende Kraftflut aussendeten. Es würde greifbar, daß hier mehr als Weltgeschichtliches, daß Erdgeschichtliches vor sich geht und das Geschichtsbild übergreift.“
„Wir sehen kein Opfer, aber wir zahlen einen Zoll.“
„Es gibt keinen triftigen Grund, der der Annahme entgegensteht, daß sich eines Tages eine Konstanz der Mittel ergeben wird. Eine solche Beständigkeit durch lange Zeiträume hindurch ist vielmehr die Regel, während das fieberhafte Tempo der Veränderung, in dem wir uns befinden, ohne geschichtliches Beispiel ist. Die Dauer dieser Art von Veränderlichkeit ist begrenzt, sei es, daß der ihr zugrunde liegende Wille zerbricht, sei es, daß er seine Ziele erreicht. Da wir solche Ziele zu sehen glauben, ist die Betrachtung der ersten Möglichkeit für uns bedeutungslos.“
„Man beginnt endlich zu sehen, daß hier ein sehr gleichartiges Menschentum an der Arbeit ist und daß der Vorgang des Meinungskampfes als ein Schauspiel erkannt werden muß, das das bürgerliche Individuum mit verteilten Rollen spielt. Alle diese Leute sind radikal, das heißt: langweilig, und ihre gemeinsame Ernährungsweise besteht ohne Unterschied in der Ausmünzung von Tatsachen zu Meinungen. Ihr gemeinsamer Stil ist zu definieren als ein einfältiger Jubel über irgendeinen Standpunkt, irgendeine Perspektive, die ihnen allein eigentümlich ist – also als das Gefühl des einmaligen Erlebnisses in seiner billigsten Form.“
„Das Mißtrauen wächst mit der Zustimmung. Je näher der Anteil der guten Stimmen den hundert Prozent kommt, desto größer wird die Zahl der Verdächtigen, denn es ist anzunehmen, daß nun die Träger des Widerstandes aus einer statistisch faßbaren Ordnung hinüberwechselten in jene unsichtbare, die wir als den Waldgang ansprechen. Nunmehr muß jeder überwacht werden. Die Ausspähung schiebt ihre Organe in jeden Block, in jedes Wohnhaus vor. Sie sucht selbst in die Familien einzudringen und erreicht ihre letzten Triumphe in den Selbstbezichtigungen der großen Schauprozesse: hier sehen wir das Individuum als seinen eigenen Polizisten auftreten und an seiner Vernichtung mitwirken. Es ist nichtmehr, wie in der liberalen Welt, unteilbar, sondern durch den Staat in zwei Hälften zerlegt, in eine schuldige und eine andere, die sich anschuldigt.“
„Die immer künstlicheren Städte, die automatischen Bezüge, die Kriege und Bürgerkriege, die Maschinenhöllen, die grauen Despotien, Gefängnisse und raffinierten Nachstellungen — das alles sind Dinge, die Namen bekommen haben und die den Menschen Tag und Nacht beschäftigen. Wir sehen ihn über Fortgang und Ausweg sinnen als kühnen Planer und Denker, wir sehen ihn in den Aktionen als Maschinenlenker, Krieger, Gefangenen, als Partisan inmitten seiner Städte, die bald brennen, bald festlich erleuchtet sind. Wir sehen ihn als Verächter der Werte, als kalten Rechner, doch auch in der Verzweiflung, wenn inmitten der Labyrinthe der Blick die Sterne sucht.“
„Ein solches Wagnis kann Erfolg nur dann erhoffen, wenn ihm von den drei großen Mächten der Kunst, der Philosophie und der Theologie Hilfe geboten und Bahn im Ausweglosen gebrochen wird. Wir werden darauf im einzelnen eingehen. Vorausgeschickt sei nur, daß in der Kunst tatsächlich das Thema des umstellten Einzelnen an Raum gewinnt. Naturgemäß wird das besonders in der Menschenschilderung hervortreten, wie sie der Bühne und dem Lichtspiel zukommt, vor allem aber dem Roman. Und wirklich sehen wir die Perspektive wechseln, insofern die Schilderung der fortschreitenden oder sich zersetzenden Gesellschaft abgelöst wird durch die Auseinandersetzung des Einzelnen mit dem technischen Kollektiv und seiner Welt. Indem der Autor in ihre Tiefe eindringt, wird er selbst zum Waldgänger, denn Autorschaft ist nur ein Name für Unabhängigkeit.“
„Nun sind aber dieselben Menschen nicht nur ängstlich, sondern fürchterlich zugleich. Die Stimmung wechselt von der Angst zu offenem Hasse, wenn sie jenen schwach werden sehen, den sie eben noch fürchteten. Und nicht nur in Europa trifft man solche Gremien. Die Panik wird sich noch verdichten, wo der Automatismus zunimmt und sich perfekten Formen nähert, wie in Amerika. Dort findet sie ihre beste Nahrung; sie wird durch Netze verbreitet, die mit dem Blitz wetteifern. Schon das Bedürfnis, mehrere Mal am Tage Nachrichten aufzunehmen, ist ein Zeichen der Angst; die Einbildung wächst und lähmt sich in steigenden Umdrehungen. All diese Antennen der Riesenstädte gleichen dem gesträubten Haar. Sie fordern zu dämonischen Berührungen heraus.“
„Der Vorgang hat zwei Pole — einmal den des Ganzen, das, sich immer mächtiger gestaltend, fortschreitet durch jeden Widerstand. Hier ist vollendete Bewegung, imperiale Entfaltung, vollkommene Sicherheit. Am anderen Pole sehen wir den Einzelnen, leidend und schutzlos, in ebenso vollkommener Unsicherheit. Beides bedingt sich, denn die große Machtentfaltung lebt von der Furcht, und der Zwang wird dort besonders wirksam, wo die Empfindsamkeit gesteigert ist.“
„Es stellt sich nun die Frage nach der Absicht einer solchen Anstrengung. Wie bereits angedeutet, kann sie nicht auf die Eroberung reiner Innenreiche beschränkt werden. Das gehört zu den Vorstellungen, die sich nach der Niederlage ausbreiten. Ebenso ungenügend würde die Beschränkung auf reale Ziele, wie etwa auf die Führung des nationalen Freiheitskampfes, sein. Wir werden vielmehr sehen, daß es sich um Anstrengungen handelt, die auch die nationale Freiheit als ein Hinzutretendes krönt. Wir sind ja nicht lediglich in einen nationalen Zusammenbruch verwickelt, sondern in eine Weltkatastrophe, bei der sich kaum sagen und noch weniger prophezeien läßt, wer eigentlich die Sieger und wer die Besiegten sind.“
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