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„Es sollte zugleich die Ansicht wachsen, daß ein dritter Weltkrieg, wenn auch nicht unwahrscheinlich, so doch nicht unvermeidlich ist. Nicht ausgeschlossen ist es, daß die Welteinheit sich durch Verträge erreichen läßt. Das würde freilich die Entstehung einer dritten Macht voraussetzen, als welche vorläufig nur das geeinte Europa denkbar ist. Auch könnte die Umdrehung ein Maß erreichen, das einen der Konkurrenten bereits im Frieden scheitern läßt. Dann gibt es das Unvorhergesehene. Das alles drängt zu dem Urteil, daß bei hinreichender Kraft des Geistes weder zum Optimismus, noch zur Verzweiflung Anlaß gegeben ist.“
„Desgleichen ist Skepsis nicht zu empfehlen, besonders nicht jene Skepsis, die sichtbar macht. Die Geister, die den Zweifel verwaltet haben und von ihm profitieren, sind nunmehr weithin in den Besitz der Macht gekommen, und nun ist ihnen gegenüber der Zweifel Sakrileg. Sie fordern für sich und ihre Lehren und ihre Kirchenväter Verehrung, wie sie nie ein Kaiser, ein Papst für sich in Anspruch nahm. Hier noch zu zweifeln, möge wagen, wer Folter und Zwangsarbeit nicht scheut. Es werden nicht viele sein. Sich sichtbar machen auf solche Weise heißt dem Leviathan gerade den Dienst erweisen, der ihm behagt, für den er Heere von Polizisten unterhält. Solches den Unterdrückten anzuraten, etwa vom sicheren Rundfunkpulte aus, ist rein verbrecherisch. Vor jenen, die reden, haben die heutigen Tyrannen keine Angst. Das mochte noch in den guten alten Zeiten des absoluten Staates möglich sein. Viel fürchterlicher ist das Schweigen – das Schweigen der Millionen und auch das Schweigen der Toten, das von Tag zu Tage tiefer wird. und das nicht Trommeln übertönen, bis es dann das Gericht beschwört. Im Maße, in dem der Nihilismus normal wird, werden die Symbole der Leere fürchterlicher als die der Macht.“
„An Plätzen, wo die Diktatur schon stark gefestigt ist, würden neunzig Prozent Bejahungen schon zu stark abfallen. Daß sich in jedem Zehnten ein geheimer Gegner verbirgt: den Gedanken kann man den Massen nicht zumuten. Dagegen würde eine Zahl von ungültigen und Gegenstimmen, die sich um zwei Prozent herum bewegt, nicht nur erträglich, sondern auch günstig sein. Diese beiden Prozente wollen wir nun nicht einfach als taubes Metall betrachten und abstreichen. Sie sind der näheren Betrachtung wert. Man findet heute das Ungeahnte gerade in den Rückständen.“
„Die Katastrophen prüfen, in welchem Maße Menschen und Völker noch original gegründet sind. Ob wenisgtens noch ein Wurzelstrang unmittelbar das Erdreich aufschließt – daran hängen Gesundheit und Lebensaussicht jenseits der Zivilisation un ihrer Versicherung.“
„Dem Unterschiede der angewandten Mittel entspricht der Unterschied in der Einrichtung und Besitzergreifung der eroberten Welt. Für den Bürger vollzieht sich dieser Vorgang in der geistigen Konstruktion von Verfassungen, in denen dieselbe Vernunft, die die alte Gesellschaft zerstörte, als Fundament und Grundmaß einer neuen erscheint. Für den Arbeiter stellt sich die entsprechende Aufgabe dar als die organische Konstruktion der in eine uferlose Bewegung geratenen Massen und Energien, die der Zersetzungsprozeß der bürgerlichen Gesellschaft hinterlassen hat. Der Rahmen, in den die Freiheit des Handelns eingeschlossen wird, ist hier nicht mehr die bürgerliche Verfassung, sondern der Arbeitsplan. Wie der Bürger zunächst den absoluten Staat als Feld der Tätigkeit vorfindet, so vollziehen sich die ersten Bewegungen des Arbeiters innerhalb der Grenzen der nationalen Demokratie, deren Mittel den beiden Trägern der bürgerlichen Gesellschaft, also dem Individuum und der Masse, zu entwinden sind.“
„Der Widerspruch zum Optimismus ist vielmehr der Defaitismus, der heute ungemein verbreitet ist. Man hat dem nichts mehr entgegenzusetzen, was man kommen sieht, weder an Werten, noch an innerer Kraft. In dieser Stimmung findet die Panik keinen Widerstand; sie breitet sich wie ein Wirbel aus. Die Bosheit des Feindes, das Schreckliche der Mittel scheinen sich im gleichen Maß zu steigern, in dem im Menschen die Schwäche wächst. Zuletzt umgibt ihn der Terror wie ein Element. In dieser Lage zermürbt ihn bereits das nihilistische Gerücht, bereitet ihn zum Untergange vor. Die Angst ergreift mit Gier, es unermeßlich vergrößernd, das Schreckliche, ist ständig auf Jagd nach ihm.“
„Das zieht sich auch als großes Thema durch die Musik: die wechselnden Figuren führen dem Punkte zu, an dem der Mensch in seinen von der Zeit befreiten Maßen sich gegenübertritt — an dem er sich selbst zum Schicksal wird. Das ist die oberste, die schreckliche Beschwörung, die nur dem Meister zusteht, der durch die Pforten des Gerichtes zur Erlösung führt.“
„Der ungeheure Zulauf, den die Scharlatane und wunderdoktoren finden, erklärt sich nicht nur durch die Leichtgläubigkeit der Massen, sondern auch durch ihr Mißtrauen gegen den medizinischen Betrieb und im besonderen gegen die Art, in der er sich automatisiert. Diese Zauberer, wie plump sie auch ihr Handwerk treiben, weichen doch in zwei wichtigen Dingen ab: einmal, indem sie den Kranken als Ganzen nehmen, und zweitens, indem sie die Heilung als Wunder darstellen. Gerade das entspricht dem immer noch gesunden Instinkt, und darauf beruhen die Heilungen.“
„Verdächtig und im höchsten Maße zur Vorsicht mahnend ist der immer größere Einfluß, den der Staat auf den Gesundheitsbetrieb zu nehmen beginnt, meist unter sozialen Vorwänden. Dazu kommt, daß infolge weitgehender Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht bei allen Konsultationen Mißtrauen zu empfehlen ist. Man weiß doch nie, in welche Statistik man eingetragen wird, und zwar nicht nurbei den Medizinalstellen. All diese Heilbetriebe mit angestellten und schlecht bezahlten Ärzten, deren Kuren durch die Bürokratie überwacht werden, sind verdächtig und können sich über Nacht beängstigend verwandeln, nicht nur im Kriegsfalle. Daß dann die musterhaft geführten Kartotheken wieder die Unterlagen liefern, auf Grund deren man interniert, kastriert oder liquidiert werden kann, ist zum mindesten nicht unmöglich.“
„Das ist ein Unterschied, der auf die Glaubenssphäre wirkt. Der Waldgänger kann sich keine Indifferenz gestatten, die eine abgelaufene Epoche in ähnlicher Weise kennzeichnet wie die Neutralität der kleinen Staaten oder die Festungshaft bei politischem Delikt. Der Waldgang führt in schwerere Entscheidungen. Die Aufgabe des Waldgängers liegt darin, daß er die Maße der für eine künftige Epoche gültigen Freiheit dem Leviathan gegenüber abzustecken hat. Dem Gegner kommt er nicht mit bloßen Begriffen bei.“
„Hier eröffnet sich auch die Aussicht auf eine der großen Gefahren unserer Zeit, die Übervölkerung, wie etwa Bouthoul sie in seinem Buche »Hundert Millionen Tote« geschildert hat. Die Hygiene sieht sich vor der Aufgabe, die gleichen Massen einzudämmen, deren Entstehung sie ermöglichte. Doch damit überschreiten wir das Thema des Waldganges. Wer mit ihm rechnet, für den taugt die Luft der Treibhäuser nicht.“
„Im Waldgang hat man sich mit Krisen abzufinden, in denen weder Gesetz noch Sitte standhalten. In solchen Krisen wird man ähnliche Beobachtungen machen können wie bei den Wahlen, die wir am Eingang schilderten. Die Massen werden der Propaganda folgen, die sie in ein technisches Verhältnis zu Recht und Moral versetzt. Nicht so der Waldgänger. Es ist ein harter Entschluß, den er zu fassen hat: auf alle Fälle sich die Prüfung dessen vorzubehalten, für das man von ihm Zustimmung oder Mitwirkung verlangt. Die Opfer werden bedeutend sein. Jedoch verbindet sich mit ihnen auch ein unmittelbarer Gewinn an Souveränität. Die Dinge liegen freilich so, daß dieser Gewinn nur von den wenigsten als solcher empfunden wird. Herrschaft wird aber nur von jenen kommen können, denen die Kenntnis der menschlichen Urmaße erhalten blieb und die durch keine Übermacht zum Verzicht auf menschliches Handeln zu bringen sind. Wie sie das leisten, bleibt eine Frage des Widerstandes, der durchaus nicht immer offen geführt zu werden braucht. Das zu verlangen, gehört zwar zu den Lieblingstheorien der Unbeteiligten, bedeutet aber praktisch wohl das gleiche, als wenn man die Liste der letzten Menschen den Tyrannen auslieferte.“
„Wir haben das in der Betrachtung der Arbeitswelt im einzelnen ausgeführt. Man muß schon die Gesetze der Landschaft kennen, in der man lebt. Andererseits bleibt das wertende Bewußtsein unbestechlich, und hierauf beruht der Schmerz, beruht die Wahrnehmung des Verlustes, die unvermeidlich ist. Der Anblick eines Bauplatzes kann nicht das ruhende Behagen geben, das ein Meisterwerk gewährt, und ebenso wenig können die Dinge vollkommen sein, die man dort erblickt. Im Maße, in dem das bewußt wird, ist Ehrlichkeit vorhanden, und in ihr deutet sich der Respekt vor höheren Ordnungen an. Diese Ehrlichkeit schafft ein notwendiges Vakuum, wie es etwa in der Malerei sichtbar wird und das seine theologischen Entsprechungen besitzt. Das Bewußtsein des Verlustes kommt auch darin zum Ausdruck, daß jede ernstzunehmende Lagebeurteilung sich entweder auf ein Vergangenes oder auf ein Zukünftiges bezieht. Sie führt entweder zur Kulturkritik oder zur Utopie, von den zyklischen Lehren abgesehen. Der Schwund der rechtlichen und moralischen Bindungen zählt auch zu den großen Themen der Literatur. Insbesondere der amerikanische Roman spielt in Bereichen, in denen nicht die geringste Verbindlichkeit mehr herrscht. Er ist auf den nackten Fels geraten, den anderswo noch der Humus sich zersetzender Schichten bedeckt.“
„Das eigentliche Problem liegt eher darin, daß eine große Mehrzahl die Freiheit nicht will, ja daß sie Furcht vor ihr hat. Frei muß man sein, um es zu werden, denn Freiheit ist Existenz – ist vor allem die bewußte Übereinstimmung mit der Existenz und die als Schicksal empfundene Lust, sie zu verwirklichen. Dann ist der Mensch frei, und die von Zwang und Zwangsmitteln erfüllte Welt muß nunmehr dazu dienen, die Freiheit in ihrem vollen Glanze sichtbar zu machen, so wie die großen Massen des Urgesteins durch ihren Druck Kristalle hervortreiben.“
„Wir sahen an anderer Stelle, warum weder das Individuum noch die Masse sich in der Elementarwelt behaupten können, in die wir seit 1914 eingetreten sind. Das heißt nicht, daß der Mensch als Einzelner und Freier verschwinden wird. Er muß vielmehr tief unter seine individuelle Oberfläche hinabloten und wird dann Mittel finden, die seit den Religionskriegen versunken sind. Es ist kein Zweifel daran, daß er aus diesen Titanenreichen im Schmucke einer neuen Freiheit scheiden wird. Sie kann nur durch Opfer erworben werden, denn Freiheit ist kostbar und fordert, daß man vielleicht gerade das Individuelle, vielleicht sogar die Haut der Zeit zum Raube läßt. Der Mensch muß wissen, ob ihm die Freiheit schwerer wiegt – ob er sein So-Sein höher als sein Da-Sein schätzt.“
„Die eigene Art zu wahren ist schwierig — und um so schwieriger, je mehr man mit Gütern belastet ist. Hier droht das Schicksal jener Spanier unter Cortez, die in der »traurigen Nacht« die Last des Goldes, von dem sie sich nicht trennen wollten, zu Boden zog. Dafür ist auch der Reichtum, der zur eigenen Art gehört, nicht nur unvergleichlich wertvoller, er ist die Quelle jedes sichtbaren Reichtums überhaupt. Wer das erkannt hat, wird auch begreifen, daß Zeiten, die auf die Gleichheit aller Menschen hinarbeiten, ganz andere Früchte als die erhofften zeitigen. Sie nehmen nur die Zäune, die Gitter, die sekundäre Verteilung fort und schaffen gerade dadurch Raum. Die Menschen sind Brüder, aber sie sind nicht gleich. In diesen Massen verbergen sich immer Einzelne, die von Natur aus, das heißt in ihrem Sein, reich, vornehm, gütig, glücklich oder mächtig sind. Auf sie strömt Fülle zu im gleichen Maße, in dem die Wüste wächst. Das führt zu neuen Mächten und zu neuem Reichtum, zu neuen Teilungen.“
„Man könnte befürchten, daß der Schwund sich einem Punkte nähert, an dem ernicht mehr als solcher empfunden wird – einem Punkt, an dem Komfort das Glück ersetzt, der Kunsttrieb durch Maschinen befriedigt und Schönheit meßbar wird. Es bleiben aber immer, wenn nicht andere Räume, so doch andere Zeiten zum Vergleich, etwa Zeiten, von denen Mozarts Musik kündet. Daß ein Mangel empfunden wird, verrät auch das außerordentliche Erstaunen, das die Massen ergreift, wenn ein Weiser in ihren Gesichtskreis gerät.“
„Mit der Wiederkehr zieht etwas Stärkeres in den Menschen ein als die Erinnerung. Es wird identisch mit ihm, wie Mann und Frau identisch werden in der Zeugung, in der zeitlose Schöpfungsmacht in das zeitliche Leben wiederkehrt. Ohne Wiederkehr gibt es nur noch Daten, doch keine Feste mehr.“Ernst Jünger, An der Zeitmauer, 1959, in: Sämtliche Werke, 2. Abteilung, Band 8, S. 437„Die Menschen werden mächtiger und reicher, aber nicht glücklicher. Im Maße, in dem die Mittel wachsen, entschwindet die Zufriedenheit. Wahrscheinlich sind dieser Schwund und dieses Wachstum aufeinander angelegt: es muß Glück konsumiert werden.“
„Beim Wettkampf ist nicht mehr der Mensch, sondern sind Uhren des Menschen Maß. Dem Griechen lag der Gedanke fern, daß Sekunden Wert haben. Er wollte sich mit Menschen, vielleicht sogar mit Göttern messen, nicht aber gegenüber der abstrakten Zeit.“
„Wenn es gilt, in Masse über einen Einzelnen herzufallen, sind die Deutschen immer dabei; es muß nur ungefährlich sein.“
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