Spiele
Alle Emojis
Zitate
Blog
Startseite
»
leben
»
Seite 36
Verwandt mit: leben
„Selbstverständlich ist Ähnliches auch möglich innerhalb der Schulmedizin. jeder, der heilt, wirkt ja an einem Wunder mit, sei es mit oder trotz seinen Apparaten und Methoden, und viel ist schon gewonnen, wenn er das erkennt. Der Mechanismus kann überall durchbrochen, unschädlich oder sogar nützlich gemacht werden, wo der Arzt mit seiner menschlichen Substanz erscheint. Diese unmittelbare Zuwendung wird freilich durch die Bürokratie erschwert. Doch ist es schließlich so, daß »auf dem Schiff« oder auch auf der Galeere. auf der wir leben, das Funktionale immer wieder von Menschen durchbrochen wird, sei es durch ihre Güte, sei es durch ihre Freiheit oder durch ihren Mut zur unmittelbaren Verantwortung. Der Arzt, der einem Kranken gegen die Vorschrift etwas zuwendet, verleiht vielleicht gerade dadurch dem Mittel Wunderkraft. Durch dieses Auftauchen aus den Funktionen leben wir.“
„Wir leben in Zeiten, in denen Krieg und Frieden schwer zu unterscheiden sind. Die Grenzen zwischen Dienst und Verbrechen sind durch Schattierungen verwischt. Das täuscht selbst scharfe Augen, denn in jeden Einzelfall fließt ja die Zeitverwirrung, die Allgemeinschuld ein. Erschwerend wirkt ferner, daß Fürsten fehlen und daß die Mächtigen alle über die Stufen der Parteiung aufgestiegen sind. Das mindert vom Ursprung an die Begabung für Akte, die sich auf das Ganze richten, also für Friedensschlüsse, Urteile, Feste, Spendungen und Mehrungen. Die Kräfte wollen vielmehr vom Ganzen leben; sie sind unfähig, es zu erhalten und zu mehren durch inneren Überfluß: durch Sein. So kommt es zum Verschleiß des Kapitals durch siegreiche Fraktionen, für Tageseinsichten und -absichten, wie das bereits der alte Marwitz befürchtete.“
„Die Bildung von Großräumen und vor allem ihr wachsender Bürgerkriegscharakter weist daruf hin, daß es sich nicht mehr um Bewegungen von Nationalstaaten handelt, sondern um die Vorbereitung einer umfassenden Einheit, innerhalb deren dann wiederum ein größerer Schutz und freieres Leben der Völker und Vaterländer zu erwarten ist.“
„Lange Zeiten der Ruhe begünstigen gewisse optische Täuschungen. Zu ihnen gehört die Annahme, daß sich die Unverletzbarkeit der Wohnung auf die Verfassung gründe, durch sie gesichert sei. In Wirklichkeit gründet sie sich auf den Familienvater, der, von seinen Söhnen begleitet, mit der Axt in der Tür erscheint. Nur wird diese Wahrheit nicht immer sichtbar und soll auch keinen Einwand gegen Verfassungen abgeben. Es gilt das alte Wort: »Der Mann steht für den Eid, nicht aber der Eid für den Mann.« Hier liegt einer der Gründe, aus denen die neue Legislatur im Volke auf so geringe Anteilnahme stößt. Das mit der Wohnung liest sich nicht übel, nur leben wir in Zeiten, in denen ein Beamter dem anderen die Klinke in die Hand drückt.“
„Nun leben wir in Zeiten, in denen täglich unerhörte Arten des Zwanges, der Sklaverei, der Ausrottung auftreten können — sei es, daß sie sich gegen bestimmte Schichten richten oder über weite Landstriche ausdehnen. Dagegen ist der Widerstand legal, als die Behauptung der menschlichen Grundrechte, die von Verfassungen im besten Falle garantiert werden, doch die der Einzelne zu vollstrecken hat. Hierfür gibt es wirksame Formen, und der Bedrohte muß auf sie vorbereitet, er muß in ihnen geschult werden; ja es verbirgt sich hier das Hauptfach einer neuen Erziehung überhaupt. Es ist schon ungemein wichtig, den Bedrohten an den Gedanken zu gewöhnen, daß Widerstand überhaupt möglich ist — ist das begriffen, dann wird mit einer winzigen Minderheit die Erlegung des gewaltigen, doch plumpen Kolosses möglich sein. Auch das ist ein Bild, das immer in der Geschichte wiederkehrt und in dem sie ihre mythischen Grundfesten gewinnt. Darauf erheben sich dann Gebäude für lange Zeit.“
„Das sind Erfahrungen. Zahllose leben heute, welche die Zentren des nihilistischen Vorganges, die Tiefpunkte des Malstromes passiert haben. Sie wissen, daß dort die Mechanik sich immer drohender enthüllt; der Mensch befindet sich im Inneren einer großen Maschine, die zu seiner Vernichtung ersonnen ist.“
„Der Angriff ist einmal ethisch, insofern die alte Formel »Eigentum ist Diebstahl« nunmehr zum anerkannten Gemeinplatz geworden ist. Der Eigentümer ist derjenige, dem gegenüber jeder ein gutes Gewissen hat, und seit langem fühlt er sich selber nicht mehr wohl in seiner Haut. Dazu kommen die Katastrophen, die Kriege, die durch die Technik gesteigerten Umsätze. Das alles verweist nicht nur darauf, vom Kapital zu leben, es zwingt auch dazu. Man baut nicht umsonst Geschosse, von denen ein einziges soviel kostet wie früher ein Fürstentum.“
„Demgegenüber ist es wichtig, zu wissen, daß jeder Mensch unsterblich und daß ein ewiges Leben in ihm ist, unerforschtes und doch bewohntes Land, das er selbst leugnen mag, doch das keine zeitliche Macht ihm rauben kann. Der Zugang bei vielen, ja bei den meisten mag einem Brunnen gleichen, in welchen seit Jahrhunderten Trümmer und Schutt geworfen sind. Räumt man sie fort, so findet man am Grunde nicht nur die Quelle, sondern auch die alten Bilder vor. Der Reichtum des Menschen ist unendlich größer, als er ahnt. Es ist ein Reichtum, den niemand rauben kann und der im Lauf der Zeiten auch immer wieder sichtbar anflutet, vor allem, wenn der Schmerz die Tiefen aufgegraben hat.“
„Mit der Wiederkehr zieht etwas Stärkeres in den Menschen ein als die Erinnerung. Es wird identisch mit ihm, wie Mann und Frau identisch werden in der Zeugung, in der zeitlose Schöpfungsmacht in das zeitliche Leben wiederkehrt. Ohne Wiederkehr gibt es nur noch Daten, doch keine Feste mehr.“Ernst Jünger, An der Zeitmauer, 1959, in: Sämtliche Werke, 2. Abteilung, Band 8, S. 437„Die Menschen werden mächtiger und reicher, aber nicht glücklicher. Im Maße, in dem die Mittel wachsen, entschwindet die Zufriedenheit. Wahrscheinlich sind dieser Schwund und dieses Wachstum aufeinander angelegt: es muß Glück konsumiert werden.“
„Der astronomische und der astrologische Blick auf die Sterne sind verschieden wie Newtons und Goethes Blick auf die Farbenwelt. Hier handelt es sich um quantitative Messung, dort um unmeßbare Qualität. Das gilt, wie für die Farben, auch für die Zeit. Und immer wieder werden sich Menschen finden, die die Qualität der Zeit für wichtiger halten als ihre Meßbarkeit. Jeder weiß es im Grund. DieZeit gibt nicht nur den Lebensrahmen, sie ist auch das Schicksalskleid. Sie setzt nicht nur dem Leben seine Grenzen; sie ist auch sein Eigentum. Mit der Geburt eines jeden Menschen steigt seine Zeit herauf.“
„Dem Menschen hat von jeher sein Da-Sein mehr gegolten als sein So-Sein: die Schicksalslinie, ihre Länge, ihr Glück und Unglück mehr als der eigentliche Stoff des Schicksals, der allem Bedeutung gibt. Macht gilt ihm mehr als Einsicht, Reichtum mehr als Charakter, die Länge des Lebens mehrals sein Inhalt, Schein mehr als unveräußerliches Sein.“
„Es ist ein romantischer Gedanke, daß sich ihre Entfesselung, ihre Anwendung im Kampfe auf Leben und Tod durch Gesellschaftsverträge unterbinden läßt. Die Prämisse dieses Gedankens ist, daß der Mensch gut sei – der Mensch ist aber nicht gut, sondern er ist gut und böse zugleich. In jede Berechnung, die der Wirklichkeit standhalten soll, ist einzubeziehen, daß es nichts gibt, dessen der Mensch nicht fähig ist. Die Wirklichkeit wird nicht durch Moralvorschriften, sie wird durch Gesetze bestimmt. Daher ist die entscheidende Frage, die zu stellen ist, die: Gibt es einen Punkt, von dem aus autoritativ zu entscheiden ist, ob die Mittel angewendet werden sollen oder nicht? Daß es einen solchen Punkt nicht gibt, ist ein Zeichen dafür, daß der Weltkrieg keine Weltordnung geschaffen hat, und diese Tatsache ist deutlich genug im Bewußtsein der Völker ausgeprägt.“
„Heute kann nur noch Leben, wer an kein Happy-End mehr glaubt.“
„Daß auch dieses Geschichtsbild letzthin nicht befriedigt, berührt eine der Schattenseiten seiner Vorzüge. Es ist ein organisches Geschichtsbild: die Kulturen werden in ihm gezeichnet als mächtige Bäume; ihr Leben wird verfolgt vom unbewußten Keim bis zur bewußten Reife und zum Tode, den ein langes Absterben einleitet. Sie sind nicht weiter ausdeutbare Urbilder. Sie haben »keine Fenster«, wie Leibniz von der Monade sagt. Im Anblick endet die Frage nach dem Warum. Wir fragen auch nicht, warum ein Baum an einer bestimmten Stelle wächst und alt wird und warum dieser Baum gerade ein Ahorn oder eine Linde ist, obwohl zwischen Art und Standort Relationen in Menge bestehen.“
„Lange schon bin ich im Krieg, schon manchen sah ich fallen, der wert war zu leben. Was soll dies Morden und immer wieder morden? Ich fürchte, es wird zuviel vernichtet und es bleiben zu wenig, um wieder aufzubauen. Vorm Kriege dachte ich wie mancher: nieder, zerschlagt das alte Gebäude, das neue wird auf jeden Fall besser. Aber nun – es scheint mir, das (sic!) Kultur und alles Große langsam vom Kriege erstickt wird. Der Krieg hat in mir doch die Sehnsucht nach den Segnungen des Friedens geweckt.“
„Spengler zitiert in diesem Zusammenhang ein Goethewort: der Sinn des Lebens sei das Leben selbst. Das ist ein vieldeutiger Spruch. Die Vergleichung der Kulturen mit tausendjährigen Bäumen hätte vermutlich Goethes ungeteilten Beifall gefunden; in dieser Hinsicht beruft Spengler sich auf ihn mit Recht. Zudem jedoch ist Goethes morphologisches Genie durch ein synoptisches erhöht. Er hätte bei gleichem Unterfangen die Bäume nicht nur in ihrer Mannigfaltigkeit, sondern auch in ihrer Einheit, als Urpflanze, zu erfassen versucht. Die Hauptgefahr der Morphologie liegt darin, daß man den Wald vor Bäumen nicht sieht.“
„Die Toten sind wie Schnittblumen, die noch geraume Zeit leben – sie wollen gepflegt werden. Sie ziehen sich dann allmählich zurück; man spürt in den Träumen, wie ihre Gegenwart schwächer wird.“
„Die Popularität ist eine Krankheit, die um so chronischer zu werden droht, je später im Leben sie den Patienten befällt.“
„Die Fehler gehören zum Leben wie der Schatten zum Licht.“
„Das Wunder ist die Substanz, von der das Leben zehrt.“
Vorherige
1
…
35
36
37
…
96
Nächste