Spiele
Alle Emojis
Zitate
Blog
Startseite
»
leben
»
Seite 35
Verwandt mit: leben
„Der Unterschied zwischen dem Menschen, der wie der Richter oder der Feldherr auf legale Weise über das Leben verfügt, gegenüber dem Henker und dem Mörder wird unscharf, kann diskutiert werden, während zugleich zahllose Unschuldige wegen geringfügiger sozialer oder ökonomischer Differenzen des Lebens beraubt werden oder als Sklaven dahinschmachten.“
„Nicht nur hat jedes Licht seinen Schatten, sondern jeder Schatten hat auch sein Licht. Wir leben in einer Zeit großer Spannungen, aber gemeinsamer Tendenz. Diese Spannungen haben zwar ihre Geschichte, erklären sich aber nicht durch die Geschichte allein, gleichviel ob man sie in ihrer geistigen, politischen oder technischen Entwicklung zurückverfolgt.“
„Es ist anzunehmen, daß das Leben selbst auf Extreme noch eine Antwort, noch Reserven hat. Wir finden es in den Wüsten, in kochenden Quellen, an Eisrändern (und sogar in der Erdkruste! HB). Natürlich könnte auch die Vernichtung seiner organischen Formen das Leben nicht beeinträchtigen. Das Universum lebt.“
„Die Verfeinerung von Darwins Anschauung, der Einbau von neuen Elementen inihr Gerüst, betrifft im wesentlichen nicht den Stammbaum als solchen, sondernseine Verzweigung und ihren Periodus. Hier wirkt offenbar ein ähnlicher Wechselder Auffassung wie jener, der Spenglers Geschichtsbild zugrunde liegt. Er betrifftweniger die Inhalte als den Wandel ihrer Abläufe. Hier wie dort fällt die Anwendung von Vergleichen auf, die dem vegetativen Leben entnommen sind. Die Pflanzefolgt sichtbarer den kosmischen Bewegungen, hat feinere Organe für ihre Abläufeals Mensch und Tier. Fechner hat das vorzüglich beobachtet.“
„Technik und Natur sind keine Gegensätze – werden sie so empfunden, so ist dies ein Zeichen dafür, daß das Leben nicht in Ordnung ist. Der Mensch, der sein eigenes Unvermögen durch die Seelenlosigkeit seiner Mittel zu entschuldigen sucht, gleicht dem Tausendfuß der Fabel, der zur Bewegungslosigkeit verurteilt ist, weil er seineGlieder zählt.“
„Es kommt nicht darauf an, daß wir leben, sondern daß überhaupt auf der Welt wieder die Führung eines Lebens im großen Stile und nach großen Maßstäben möglich ist. Man trägt dazu bei, indem man die eigenen Ansprüche schärft.“
„In den Eingangssätzen des »Willens zur Macht“ bezeichnet Nietzsche sich als »den ersten vollkommenen Nihilisten Europas, der aber den Nihilismus selbst schon in sich zu Ende gelebt hat, – der ihn hinter sich, unter sich, außer sich hat«. Gleich darauf folgt die Bemerkung, daß sich in seiner Arbeit bereits eine Gegenbewegung ankünde, welche »in irgendeiner Zukunft« jenen vollkommenen Nihilismus ablösen werde, wenngleich sie ihn als notwendig voraussetze. Obwohl seit der Konzeption dieser Gedanken mehr als sechzig Jahre verflossen sind, wirken sie noch immer erregend auf uns, als Sätze, die sich mit unserem Schicksal beschäftigen. Sie füllten sich inzwischen mit Inhalt, mit gelebtem Leben, mit Taten und Schmerzen an. Das geistige Abenteuer bestätigte und wiederholte sich in der Wirklichkeit. Wenn wir von unserem erreichten Standort auf jene Aussage zurückblicken, scheint sich ein Optimismus in ihr auszudrücken, der späteren Betrachtern fehlt. Der Nihilismus wird also nicht als Ende angesehen, sondern vielmehr als Phase eines ihn umfassenden geistigen Vorganges, wie sie nicht nur die Kultur in ihrem geschichtlichen Verlaufe, sondern auch der Einzelne in seiner persönlichen Existenz in sich zu überwinden und auszutragen oder vielleicht auch wie eine Narbe zu überwachsen vermag.“
„Unter Ihren Bemerkungen fiel mir der Satz auf, daß Sie und Ihre Freunde die Menschen nur nach ihrem funktionalen Charakter werteten. Wichtig ist aber ohne Zweifel nur, was übrig bleibt, wenn man den Menschen seiner Funktion beraubt, sei es seiner technisch-politischen, sei es der des Lebens überhaupt. Das ist ein metaphysischer, unteilbarer und unorganisierbarer Rest.“
„Wir sahen, daß von Willensfreiheit nur auf einer schmalen Kuppe gesprochen werden kann. Doch gerade hier wird entschieden, was unentbehrlich ist bei der Verwandlung, wertvoller als Leben, und nicht geopfert werden darf. Solange in dieser Hinsicht Zweifel herrschen, aber auch solange sie noch nicht geherrscht haben, sind wir noch innerhalb der nihilistischen Passage, diesseits der Linie.“
„Wir leben in Zeiten, in denen ununterbrochen fragenstellende Mächte an uns herantreten. Und diese Mächte sind nicht nur von idealer Wißbegier erfüllt. Indem sie sich mit ihren Fragen nähern, erwarten sie von uns nicht, daß wir einen Beitrag zur objektiven Wahrheit liefern, ja nicht einmal, daß wir zur Lösung von Problemen beitragen. Sie legen nicht auf unsere Lösung, sie legen auf unsere Antwort Wert.“
„In einer Millionenstadt leben zehntausend Waldgänger, wenn wir uns dieses Namens bedienen wollen, ohne noch seine Tragweite zuübersehen. Das ist eine gewaltige Macht. Sie ist zum Sturz auch starker Zwingherren hinreichend. Die Diktaturen sind ja nicht nur gefährlich, sie sind zugleich gefährdet, da die brutale Kraftentfaltung auch weithin Abneigung erregt. Insolcher Lage wird die Bereitschaft winziger Minderheitenbedenklich sein, vor allem, wenn sie eine Taktik entwickelten.“
„Im Waldgang betrachten wir die Freiheit des Einzelnen in dieser Welt. Dazu ist auch die Schwierigkeit, ja das Verdienst zu schildern, das darin liegt, in dieser Welt ein Einzelner zu sein. Daß sie sich, und zwar notwendig, verändert hat und noch verändert, wird nicht bestritten, doch damit verändert sich auch die Freiheit, zwar nicht in ihrem Wesen, wohl aber in der Form. Wir leben im Zeitalter des Arbeiters; die These wird inzwischen deutlicher geworden sein. Der Waldgang schafft innerhalb dieser Ordnung die Bewegung, die sie von den zoologischen Gebilden trennt. Er ist weder ein liberaler noch ein romantischer Akt, sondern der Spielraum kleiner Eliten, die sowohl wissen, was die Zeit verlangt, als auchnoch etwas mehr.“
„Die Diktaturen können von der reinen Zustimmung nicht leben, wenn nicht zugleich der Haß und mit ihm der Schrecken die Gegengewichte gibt. Nun würde aber bei hundert Prozent guter Stimmen der Terror sinnlos werden; man träfe nur noch Gerechte an. Das ist die andere Bedeutung der zwei Prozent. Sie weisen nach, daß zwar die Guten in ungeheurer Mehrheit, doch auch nicht gänzlich ungefährdet sind. Im Gegenteil ist anzunehmen, daß angesichts so überzeugter Einheit nur eine besondere Verstocktheit sich unbeteiligt verhalten kann. Es handelt sich um Saboteure mit dem Stimmzettel — und was liegt näher als der Gedanke, daß sie auch zu anderen Formen der Sabotage schreiten werden, wenn sich Gelegenheit ergibt?“
„Es ist vielmehr so, daß der einfache Mensch, der Mann auf der Straße, dem wir täglich und überall begegnen, die Lage besser erfaßt hat als alle Regierungen und alle Theoretiker. Das beruht darauf, daß in ihm immer noch die Spuren eines Wissens leben, das tiefer reicht als die Gemeinplätze der Zeit. Daher kommt es, daß auf Konferenzen und Kongressen Beschlüsse gefaßt werden, die viel dümmer und gefährlicher sind, als es der Schiedsspruch des Nächsten, Besten wäre, den man aus einer Straßenbahn herauszöge.“
„Wer dem Geschehen, das mit so viel Leiden verbunden ist, sinnvolle Züge abzugewinnen sucht, macht sich zum Stein des Anstoßes. Dennoch sind alle Prognosen verfehlt, die auf der reinen Untergangsstimmung beruhen. Wir durchschreiten vielmehr eine Reihe immer deutlicherer Bilder, immer klarerer Prägungen. Auch Katastrophen unterbrechen kaum die Bahn, kürzen sie eher in vielem ab. Es ist kein Zweifel, daß Ziele vorhanden sind. Millionen stehen in ihrem Banne, führen ein Leben, das ohne diese Aussicht unerträglich wäre und das durch bloßen Zwang nicht zu erklären ist. Die Opfer werden vielleicht spät gekrönt, doch nicht vergeblich gewesen sein.“
„Wer Katastrophen entronnen ist, der weiß, daß er es im Grunde der Hilfe von einfachen Menschen verdankt, über die der Haß, der Schrecken, der Automatismus der Gemeinplätze nicht Macht gewann. Sie widerstanden der Propaganda und ihren Einflüsterungen, die rein dämonisch sind. Unendlicher Segen kann erwachsen, wenn diese Tugend in den Führern der Völker, wie in Augustus, sichtbar wird. Darauf begründen sich Imperien. Der Fürst herrscht nicht, indem er tötet, sondern indem er das Leben schenkt. Darin liegt eine der großen Hoffnungen: daß unter den zahllosen Millionen ein vollkommener Mensch auftrete.“
„Der Wald ist heimlich. Das Wort gehört zu jenen unserer Sprache, in denen sich zugleich ihr Gegensatz verbirgt. Das Heimliche ist das Trauliche, das wohlgeborgene Zuhause, der Hort der Sicherheit. Es ist nicht minder das Verborgen-Heimliche und rückt in diesem Sinne an das Unheimliche heran. Wo wir auf solche Stämme stoßen, dürfen wir gewiß sein, daß in ihnen der große Gegensatz und die noch größere Gleichung Leben und Tod anklingen, mit deren Lösung sich die Mysterien beschäftigen.“
„Aber das gleiche wird auch an anderen Orten gesucht — in Höhlen, in Labyrinthen, in Wüsten, in denen der Versucher wohnt. Überall residiert ein gewaltiges Leben für den, der seine Symbole errät. Moses klopft mit dem Stab an die Felswand, aus der das Wasser des Lebens springt. Ein solcher Augenblick reicht dann für Tausende von Jahren aus.“
„Immer und überall ist hier das Wissen, daß in der wechselvollen Landschaft Ursitze der Kraft verborgen sind und unter der flüchtigen Erscheinung Quellen des Überflusses, kosmischer Macht. Das Wissen bildet nicht nur das symbolisch-sakramentale Fundament der Kirchen, es spinnt sich nichtnur in Geheimlehren und Sekten fort, sondern es stellt auchden Kern der Philosopheme, wie überaus verschieden immer deren Begriffswelt sei. Im Grunde gehen sie auf das gleiche Geheimnis aus, das jedem offen liegt, den es einmal im Leben weihte, sei es nun, daß es als Idee, als Urmonade, als Ding an sich, als Existenz der Heutigen begriffen wird. Wer einmal das Sein berührte, überschritt die Säume, an denen Worte, Begriffe, Schulen, Konfessionen noch wichtig sind. Doch lernte er, das zu ehren, was sie belebt.“
„Unter den Menschen ist Sokrates zu nennen, dessen Vorbild nicht nur die Stoa, sondern kühne Geister zu allen Zeiten befruchtete. Wir mögen über Leben und Lehre dieses Mannes verschiedener Ansicht sein; sein Tod zählt zu den größten Ereignissen. Die Welt ist so beschaffen, daß immer wieder das Vorurteil, die Leidenschaften Blut fordern werden, und man muß wissen, daß sich das niemals ändern wird. Wohl wechseln die Argumente, doch ewig unterhält die Dummheit ihr Tribunal. Man wird hinausgeführt, weil man die Götter verachtete, dann weil man ein Dogma nicht anerkannte, dann wieder, weil man gegen eine Theorie verstieß. Es gibt kein großes Wort und keinen edlen Gedanken, in dessen Namen nicht schon Blut vergossen worden ist. Sokratisch ist das Wissen von der Ungültigkeit des Urteils, und zwar von der Ungültigkeit in einem erhabeneren Sinne, als menschliches Für und Wider ihn ermitteln kann. Das wahre Urteil ist von Anbeginn gesprochen: es ist auf die Erhöhung des Opfers angelegt. Wenn daher moderne Griechen eine Revision des Spruches anstreben, so wären damit nur die unnützen Randbemerkungen zur Weltgeschichte um eine weitere vermehrt, und das in einer Zeit, in der unschuldiges Blut in Strömen fließt. Dieser Prozeß ist ewig, und die Banausen, die in ihm als Richter saßen, trifft man auch heute an jeder Straßenecke, in jedem Parlament. Daß man das ändern könne: dieser Gedanke zeichnete von jeher die flachen Köpfe aus. Menschliche Größe muß immer wieder erkämpft werden. Sie siegt, indem sie den Angriff des Gemeinen in der eigenen Brust bezwingt. Hier ruht die wahre historische Substanz, in der Begegnung des Menschen mit sich selbst, das heißt: mit seiner göttlichen Macht. Das muß man wissen, wenn man Geschichte lehren will. Sokrates nannte diesen tiefsten Ort, an dem ihn eine Stimme, schon nicht mehr in Worten faßbar, beriet und lenkte, sein Daimonion. Man könnte ihn auch den Wald nennen.“
Vorherige
1
…
34
35
36
…
96
Nächste