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„Hier stößt die Politik an andere Bereiche – sei es an die Natur-, sei es an die Dämonengeschichte mit ihren Schrecknissen. Doch wird auch die Nähe großer, rettender Mächte geahnt. Die Schrecken sind ja Weckrufe, sind Zeichen einer ganz anderen Gefahr, als der historische Konflikt sie vorspiegeIt. Sie gleichen immer dringenderen Fragen, die an den Menschen gestellt werden. Niemand kann ihm die Antwort abnehmen.“
„Nach jeder großen Niederlage meinen die Söhne, daß der Vater sie umsonst geopfert hat. Der Unmut der deutschen Jugend nach dem Ersten Weltkrieg gegen den »Bürger« erklärt sich indessen nicht aus der Situation allein. Mehr oder weniger deutlich wurde gesehen, daß nicht neue Konstellationen, sondern neue Prinzipien nottaten. Daß sie weder von der Rechten noch von der Linken verwirklicht wurden, gehört zum deutschen Schicksal und bestätigt die Erfahrung, daß hier seit jeher die großen Fragen in der Schwebe geblieben sind, wie Nietzsche uns das in heftigster Weise vorgeworfen hat.“
„Heute, nach dreißig Jahren, ist nicht zu leugnen, daß sich in diese Visionen konkrete Züge einzeichneten. Was in Afrika, vom Nordrand bis zur Südspitze, in Ost- und Südasien, in Nord- und Südamerika in so kurzer Spanne geschah und geschieht – in China, Algerien, Indien, Ägypten, am Kongo, auf Kuba, um einige Brennpunkte zu nennen – das geht weit über eine Reihe von Aufständen und Befreiungskämpfen hinaus. Das Feuer, das nicht mehr, und vor allem nicht mit Blut, zu löschen ist, greift indessen auch über den Gegensatz von Weißen und Farbigen hinaus. Es trägt alle Kennzeichen des Weltbrandes. Nicht diese oder jene Rasse, die Spezies wird in Frage gestellt. Diesen seinen wahren Umfang, aus dessen Kenntnis allein nicht nur richtige Schlüsse, sondern auch Entschlüsse, Entscheidungen, zu gewinnen sind, hat ~pengler nicht gesehen. Er konnte ihn nicht sehen und würde, wenn er noch lebte, heute weniger denn je dazu imstande sein. Er sah Symptome, und da diese sich inzwischen krisenhaft verstärkten, würden sie ihm die Diagnose bestätigen.“
„Daß die Frage der Abwälzung der Sklavenarbeit auf technische Art gelöst werden wird, und zwar quantitativ durch die Entwicklung von Robotern und Automaten, qualitativ durch eine Verfeinerung und Verwandlung der Rohprodukte auf eine Weise, deren Ziel und Umfang noch kaum zu ahnen sind – das muß als eine der möglichen Leistungen unter vielen begriffen werden, doch nicht als Absicht, sondern als eines der Mittel der sich bildenden Welt. Es zählt zum Eingebrachten, zur Mitgift der Gestalt des Arbeiters. Das Ziel der Technik ist Erdvergeistigung.“
„Hier stellt sich die Zwischenfrage, auf wen denn im Falle des Weltstaates die grobe Arbeit abzuwälzen sei? In ihm kann es seiner Natur nach weder Kolonien noch Ausbeutung ~ eroberter Kornkammern noch den Unterschied zwischen »weißer« und »farbiger« Arbeit geben – all jenen Gewinn, den seit der Antike hochentwickelte Staaten dank ihrer technischen, militärischen und politischen Überlegenheit aus den Ernten und Produkten eroberter Gebiete ziehen: Vorteile aus schlecht – oder unbezahlter Arbeit mit einem Wort. In dieser Frage begegnen sich politische und moralische, technische und wirtschaftliche Systeme; sie wird noch über den Rest des Jahrhunderts hinaus nicht nur die Geister, sondern auch den Willen beschäftigen. Als Modell der sich aus ihr entwickelnden Händel darf man den amerikanischen Sezessionskrieg betrachten – das macht sein Studium lehrreich, ja fast unumgänglich auf ähnliche Weise, wie das der Dreyfusaffäre unentbehrlich ist zur Beurteilung der Imponderabilien innerhalb der modernen Demokratie.“
„Angesichts eines Versagens, das sich seit den Staufern so offensichtlich wiederholt, wäre zu fragen, ob hier nicht weniger Eigenschaften des Charakters als solche der Lage mitsprechen. So wirken die Gesetze der Waage in der Mitte anders als anden Rändern, und auch verborgener. Viel von dem, was hier geplant, entworfen, entdeckt, erfunden wurde, sah man an anderen Orten ausgeführt. Dem großen Haushalt kommt das hier wie dort zugut.“
„Es erhebt sich nun die Frage, ob die Beleuchtung von Geschichtsvorgängen an der Zeitmauer, also von außergeschichtlichem Standort aus, die Idee eines solchen Fortschreitens nicht illusorisch macht. Diese Frage berührt einmal das Verhältnis von Schicksal und Freiheit, das immer wieder erwogen wurde in der Kontroverse,»ob die Sterne zwingend sind«. Sie berührt zum anderen das Verhältnis von Freiheit und Instinkt, das allzu häufig verwischt wird dadurch, daß man den Verstand als Vergleichsmittel nimmt. Unfreiheit ist möglich bei jedem Stande der Intelligenz.“
„Der Frage des Fortschrittes gegenüber nimmt der Metaphysiker eine andere Haltung ein als der Geschichtsphilosoph. Metaphysisch gesehen, bleibt die Potenz des Kosmos ein und dieselbe; kein Vor- oder Rückschreiten, kein Auf- oder Untergang verändert sie. Sein Wert bleibt stets der gleiche; er ruht in sich. Auch die Freiheit ist ewig und unzerstörbar, gleichviel ob sie in der Zeit sichtbar wird oder nicht. Dort wird sie stets hinfällig sein.“
„Hier wäre nochmals die Frage zu streifen, inwieweit es sich um Erscheinungender Spätzeit handelt, um weltstädtische Kennzeichen. Der Untergang des römischen Reiches hat ja von jeher als Schulbeispiel gedient. Es gibt allerdings eine Reihe von Merkmalen, die übereinstimmen: Cäsarismus, Bedrohung des Bauernstandes, Latifundienwirtschaft, Sittenverfall, wachsende Konzentration und Unwiderruflichkeit der großen Entscheidungen, hellenistische Kunstwerke und technische Großbauten; das sind Gesichtspunkte. Verändert sich jedoch der Standort des Beobachters um ein Geringes, so eröffnen sich Perspektiven, die durchaus nicht in Spenglers System passen. Hier tauchen nicht weniger zwingende Anzeichen einer Frühzeit auf. Daß Rußland, dessen Stander dem des Reiches Karls des Großen vergleicht, auszuklammern sei, hat Spengler scharfsichtig bemerkt. Es handelt sich indessen nicht um regionale Unterschiede, sondern um das Auftreten eines neuen Typus, der die Nationen und selbst die Rassen formt. Dem entspricht auch das herrschende Welt- und Lebensgefühl, der wachsende Optimismus des Arbeiters, sein theoretisch so dürftig gestütztes Vertrauen auf seine zeitwendende Macht, das dennoch von Grund auf berechtigt istund prognostischen Wert besitzt.“
„In einem Hause, das für tausend Jahr gebaut wird, herrscht größere Sicherheit als in einem anderen, das kaum ein kurzes Menschenalter währt. Da sind Türme und starke Gerüste; die Zeit läuft dort langsamer. Man hat es wieder gesehen. Und wo die Zeit bewegt wird, wo sie, wie an der Zeitmauer, brandet, werfen sich die Menschen in den Glauben wie auf ein Rettungsfloß. Ob den Kirchen damit gedient ist, bleibt eine andere Frage; zu ihrem Verdienst gehört es auf jeden Fall, auch wenn diese neuen Gläubigen nicht für sie in die Arena treten wie Polykarp.“
„Daß Nietzsche dem Staat abhold sein mußte – und darin trifft er sich mit einem Antipoden wie Rousseau – ist eine Frage des Standortes. Im Staate kann und darf nicht volle Willensfreiheit sein. Wer letzte Dinge zu sagen hat, muß außerhalb des Staates stehen, das ist sein Kennzeichen. Es ist sein Schicksal und, wo die Sterne zwingen, sein Untergang.“
„Die Weisheit des Ben Akiba, daß alles schon dagewesen sei, wird durch die Ereignisse und Gebilde, die sich vorstellen, auf das härteste erprobt. Damit erhöht sich die Verantwortung des betrachtenden und ordnenden Geistes und seiner Lagebeurteilung. Es wirft sich, unter anderem, die Frage auf, ob es sich überhaupt noch um ein Geschehen handelt, das durch historische Betrachtung und aus historischer Erfahrung heraus beurteilt werden kann. Auch dann wäre das Wort Ben Akibas nicht hinfällig. Es müßte aber außerhalb der Geschichte belegt werden: Wir würden dann Dinge wiederholen, für die der historische Vorgang fehlt.“
„Eine nicht näher zu berührende Frage ist die nach den Mächten, die die Deutung bestimmen oder von denen der Deuter bestimmt zu werden glaubt. Gleichviel ob er Gesetze oder prägende Mächte aus der Umdrehung des Schicksalsrades zu erraten meint – sein Blick richtet sich auf eine zwar verschleierte, doch ohne Zweifel wirksame Welt. Das ist erstaunlich in einer Zeit, in der die Theologie in immer größerem Umfang sich der reinen Ethik zuzuwenden beginnt. Noch erstaunlicher ist der Umstand, daß es sich nicht um wie Schnee in der Sonne der praktischen Vernunft dahinschmelzende Reste, um »Tibetanisches«, handelt, sondern um Auswachsendes.“
„Wie hat der deutsche Soldat zweimal hintereinander unter einer unfähigen politischen Führung gegen die ganze wider ihn verbündete Welt sich halten können? Das ist die einzige Frage, die man meiner Ansicht nach in 100 Jahren stellen wird.“
„Wir wollen zunächst von Art und Schwere dieser Verletzungen und von der naheliegenden Frage, ob sie heilbar sind oder nicht, absehen und uns mit ihrem Sinn beschäftigen. Im besonderen ist zu erwägen, ob es sich um eine Wiederkehr handelt, etwa um die Wiederkehr mythischer Mächte, die unter Verhüllungen in die zerbröckelnde Geschichtswelt und ihre Lücken eindringen, oder ob diese Möglichkeit ausgeschlossen ist.“
„Daß die Mittel zu stark geworden seien, ist ein Halbzeiturteil; sie immer mächtiger zu machen, ist offensichtlich die Welttendenz. Der Energiehunger ist heute stärker als jeder andere. Angesichts dieses Schauspiels erhebt sich die Frage, ob es seiner Konsequenz und innersten Absicht nach zur Explosion führen soll, oder ob es in sich Genüge finden wird.“
„In der Tat sind die Anthropologen der Meinung, daß wir ohne die großen Winter nicht da stünden, wo wir stehen. Sie vermuten, daß gerade die Eiszeit eine entscheidende Rolle spielt in dem Prozeß, den sie die »Hominisation« nennen. Sie wäre also, wenn wir progressiv, und vor allem, wenn wir dynamisch werten, ein Glücksfall für uns. Freilich erhebt sich hier sogleich die Frage: »Was ist Glück?« Die Wanderung einer reichen Flora in Richtung auf den Äquator läßt sich als Ausdruck einer großen Veränderung deuten, die man als Glücksverschiebung bezeichnen kann. Damals muß in den Keimen ein Prozeß begonnen haben, der bis in unsere Tage fortläuft: Umwandlung des Glückes in Aktion. Wahrscheinlich läßt sich das auch an den Schädeln ablesen. Aber wir suchen anderes in diesem Mosaik, das wir aus Scherben zusammensetzen, und unser Blick ist uns willfährig. Das Eis war einer unserer großen Lehrmeister, wie es der Winter noch heute ist. Er hat unseren ökonomischen, technischen, moralischen Stil bestimmt. Er hat den Willen gestählt, uns denken gelehrt. Wahrscheinlich gehören die Zeiten, seit denen es auf unserem Planeten Eis gibt, und jene, seit denen hier in unserem Sinn gedacht wird, demselben Weltstil an. Er mag eine Minute des Weltjahrs ausfüllen. Wo heute das Eis in Bergen ansteht, grünten vor kurzem subtropische Wälder, und warum soll nicht, noch ein wenig früher, die Victoria regia dort geblüht haben, die vielleicht wiederum, weil es ihr auf der Welt zu kühl wird, entschwindet in den platonischen Raum.“
„Die nunmehr zu stellende Frage ist die, ob der Einschnitt zwei geologischeAbschnitte trennt und ob eine in diesem Sinne neue Epoche mit ihren Mustern auf uns übergreift.“
„Es rückt nun die Frage näher, ob nicht auch in dieser Hinsicht ein Einschnitt erlitten wird und ob, indem der Mensch sein historisches Wesen verläßt oder aus ihm hinausgepreßt wird, mehr auf dem Spiel steht als diese seine historische und selbst seine prähistorische Form – ob also die Veränderung ihn darüber hinaus als biologisches Wesen betrifft. Die Frage rückt nicht nur näher, sie ist auch bereits mehr oder minder in das Bewußtsein und damit in meßbare Bereiche eingetreten; sie ist aktuell. In dieser Hinsicht nimmt die antaiische Beunruhigung anthropologischen Charakter an.“
„Es gibt daher auch eine Frage nach dem Grundwert, die heute an Personen, Werke und Einrichtungen zu stellen ist. Sie lautet: inwiefern haben sie die Linie passiert?“
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