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„Der Materialismus wird von seinen Gegnern mit den Beinamen »flach« oder »platt« versehen. Das gilt auch für seine Oberfläche, seinen sichtbaren Teil, auf dem er als eine Kategorie des Rationalismus erscheint. Jedoch in der also erkannten und auch geglaubten Materie verbirgt sich mehr und anderes. Sie scheint notwendig flacher, wo sie »begründet« wird. Sie spricht durch Tatsachen, durch Wunder sogar. Der Verstand hat sich hier auf eine Begegnung, auf ein Abenteuer eingelassen, dessen Folgen unabsehbar sind. Sie sind auch unausweichlich, und zwar deshalb, weil die Materie, die Erde als Mutter, von sich aus sich zu regen beginnt und der Mensch als ihr Sohn diese Regung begreift. Diese Regung und dieses Begreifen dürfen wir nicht in Ursache und Wirkung auflösen. Wir müssen es eher im spiegelbildlichen Nebeneinander als im zeitlichen Nacheinander sehen.“
„Es ist freilich immer gut und zeugt für geistigen Abstand, wenn man sich angesichts des Anfalls von Aktualitäten mit dem »Nil admirari« des Horaz oder dem »Alles ist dagewesen« des Ben Akiba rüstet, obwohl zugegeben werden muß, daß dieser Anfall, schon quantitativ gesehen, enorm ist, sowohl was die Masse als auch was den Schauplatz der Ereignisse betrifft. Dazu kommt ihre Beschleunigung in einer geometrischen Progression, die, wie der Sog eines Kataraktes, seit über hundertfünfzig Jahren die Ereignisse immer schneller, immer zwingender einander folgen läßt.“
„Wenn wir annehmen, daß wir uns am Abschluß eines Zyklus befinden, der die Geschichte, ja vielleicht die menschliche Existenz auf dieser Erde übergreift und daß bereits ein neuer Zeitgroßraum auf den Menschen einwirkt, so dürfen wir folgern, daß Erscheinungen eintreten werden oder bereits eingetreten sind, wie sie geschichtlich oder selbst anthropologisch noch nicht fixiert wurden. Da Erdgeschichte aber die Menschengeschichte weit überdauert, könnte aus ihr als einer umfassenden Kategorie vielleicht Vergleichbares geschöpft werden.“
„Daß dieser Wechsel der Anschauung sich alten Universaltheorien zu nähernscheint, geschichtsphilosophisch Herderschen, zoologisch Cuvierschen Auffassungen, ist nicht als Rücklauf zu betrachten, sondern gehört zu den Erscheinungen des Spiralganges, der das Fortschreiten des menschlichen Denkens kennzeichnet. Die großen Ideen wiederholen sich in stets erneuter Abwandlung und folgen damit einem Grundprinzip der organischen Bildung überhaupt, wie denn auch Einzelorgane, etwa Flossen und Flügel, aus den verschiedensten Stämmen immer wieder hervortreiben.“
„Daß die großen Prozesse dennoch weiterlaufen, ist ein Beweis dafür, daß es sich hier um einen Vorgang handelt, der die bürgerliche Welt und ihre Wertungen übergreift. Die Zahl der großen und kleinen Katastrophen kündet deutlich an, daß die private Sphäre den Aufgaben, die sie für sich in Anspruch nahm, nicht mehr gewachsen ist. Dies muß notwendig zu Maßnahmen führen, die mit dem alten Freiheitsbegriff nicht in Einklang zu bringen sind und auf die im einzelnen nicht eingegangen werden kann. So muß die Gewährung von Subventionen Eingriffe indie Unabhängigkeit der Wirtschaft und die Führung des Konkurrenzkampfes nach sich ziehen, und so gehören zu den natürlichen Folgen von Arbeitslosenunterstützungen schwere Beschränkungen der individuellen Grundrechte, wie der Freizügigkeit und des freien Gebrauches der Kündigung.“
„Der wahllose Konkurrenzkampf um die Reviere des natürlichen Reichtums und die Anhäufung von Individuen zu einer atomisierten Gesellschaft in den großen Städten brachten in unglaublich kurzer Zeit eine Veränderung hervor, deren Eingriff bis zur Verpestung derAtmosphäre und der Vergiftung der Flüsse führt. Dieser Vorgang mußte unausbleiblich die Einsicht nach sich ziehen, daß die isolierte ökonomische Existenz, das abstrakte Denken in ökonomischen Werten und Theorien, letzten Endes nicht einmal die ökonomischen Rangordnungen aufrecht zu erhalten vermag. Diese Einsicht wird illustriert durch einen Trümmerhaufen von Anlagen in allen Ländern der Welt, der nicht etwa die Folgen einer vorübergehenden Krise, sondern das Ende eines geistesgeschichtlichen Abschnittes anschaulich macht.“
„Schon oft wird in der Menschengeschichte, sei es an Einzelnen, sei es an kleineren oder größeren Einheiten, der Sturz der unsterblichen Hierarchien mit seinen Folgen. sichtbar geworden sein. Immer standen dann mächtige Reserven zur Verfügung, sei es in der elementaren oder auch in der gebildeten Welt. Es gab noch wilden Grund in Fülle, und ganze Kulturen blieben unberührt. Heute ergreift der Schwund, der ja nicht lediglich Schwund ist, sondern zugleich Beschleunigung, Vereinfachung, Potenzierung und Trieb zu unbekannten Zielen, die ganze Welt.“
„Man kann sich das durch Zahlen veranschaulichen: Zugleich mit einem Jahrzehnt kann ein Jahrtausend, ein Jahrzehntausend oder ein noch größerer Turnus abgelaufen sein. Will man es räumlich sehen, so kann man sich vorstellen, daß ein Grenzbewohner mit einem Schritte sowohl aus seinem Zimmer wie aus seinem Hause und sogar aus seinem Lande heraustreten kann. Wir geben uns über solche Verhältnisse meist wenig Rechenschaft. Wir können die Wirbel eines Tieres durchzählen, ohne wahrzunehmen, daß sie hier einen Teil des Kopf – und dort des Rücken – oder Schwanzskeletts ausmachen. Je mechanischer wir zählen, desto weniger bemerken wir Übergänge dieser Art. Ähnlich verhält es sich mit dem Wechsel der Schicksalszeit unterhalb der Chronologie. Wir zählen weiter, ohne zu bemerken, daß sich nicht nur die Zahl, sondern auch das Wesen der Jahre verändert hat. Sie folgen sich, aber sie gleichen sich nicht mehr.“
„Im Waldgang hat man sich mit Krisen abzufinden, in denen weder Gesetz noch Sitte standhalten. In solchen Krisen wird man ähnliche Beobachtungen machen können wie bei den Wahlen, die wir am Eingang schilderten. Die Massen werden der Propaganda folgen, die sie in ein technisches Verhältnis zu Recht und Moral versetzt. Nicht so der Waldgänger. Es ist ein harter Entschluß, den er zu fassen hat: auf alle Fälle sich die Prüfung dessen vorzubehalten, für das man von ihm Zustimmung oder Mitwirkung verlangt. Die Opfer werden bedeutend sein. Jedoch verbindet sich mit ihnen auch ein unmittelbarer Gewinn an Souveränität. Die Dinge liegen freilich so, daß dieser Gewinn nur von den wenigsten als solcher empfunden wird. Herrschaft wird aber nur von jenen kommen können, denen die Kenntnis der menschlichen Urmaße erhalten blieb und die durch keine Übermacht zum Verzicht auf menschliches Handeln zu bringen sind. Wie sie das leisten, bleibt eine Frage des Widerstandes, der durchaus nicht immer offen geführt zu werden braucht. Das zu verlangen, gehört zwar zu den Lieblingstheorien der Unbeteiligten, bedeutet aber praktisch wohl das gleiche, als wenn man die Liste der letzten Menschen den Tyrannen auslieferte.“
„Wo die Enteignung das Eigentum als Idee treffen soll, wird die Sklaverei die notwendige Folge sein. Das letzte sichtbare Eigentum bleibt der Körper und seine ArbeitskraftDoch sind die Befürchtungen übertrieben, mit denen der Geist derartigen Möglichkeiten entgegensieht. Es genügen ja auch die Schrecken der Gegenwart vollauf. Dennoch sind grauenhafte Utopien wie die von Orwell nützlich, obwohl der Autor von den wahren und unveränderlichen Machtverhältnissen auf dieser Erde keine Vorstellung besitzt und sich dem Schrecken ausliefert. Solche Romane gleichen geistigen Experimenten, durch die vielleicht so mancher Umweg und Irrlauf der praktischen Erfahrung vermieden wird.“
„Die Technik ist jedoch, wie wir sahen, keineswegs ein Instrument des Fortschritts, sondern ein Mittel zur Mobilisierung der Welt durch die Gestalt des Arbeiters, und solange dieser Vorgang läuft, ist mit Bestimmtheit vorauszusagen, daß man auf keine ihrer verheerenden Eigenschaften verzichten wird. Im übrigen vermag auch die höchste Steigerung der technischen Anstrengung nicht mehr zu erzielen als den Tod, der zu allen Zeiten gleich bitter ist. Die Ansicht, daß dieTechnik als Waffe eine tiefere Feindschaft zwischen den Menschen bewirkt, ist daher ebenso irrig wie die entsprechende, daß sie dort, wo sie als Verkehr erscheint, eine Festigung des Friedens zur Folge hat. Ihre Aufgabe ist eine ganz andere, nämlich die, sich für den Dienst einer Macht geeignet zu machen, die über Krieg und Frieden und damit über die Sittlichkeit oder Gerechtigkeit dieser Zustände inhöchster Instanz bestimmt.“
„Die Revolutionen künden sich in den Sternen an. Das war längst so, ehe Menschen die Erde bewohnt haben. Dort sind die Maßstäbe zur Einteilung der Weltzeit, vom flüchtigen Augenblick bis zu den Lichtjahren. Daher deuten sich die tiefsten Veränderungen der menschlichen Ordnung in der Sternkunde an. Der Blick auf den gestirnten Himmel wirft die erste, die unsichtbare Bahn. Dem folgen die Erscheinungen. Die Moderne beginnt und endet mit der kopernikanischen Revolution. Jeder neue Blick auf das All hat einen metaphysischen Hintergrund. Das All und das Auge verändern sich gleichzeitig. Das gilt auch nach der Erfindung der Fernrohre und innerhalb komplizierter Berechnungen. In die Erfassung großer Zeitalter teilen sich heute Geschichte und Naturgeschichte, ohne uns zu befriedigen, obwohl ihnen nicht nur eine Fülle neuen Materials, sondern auch neuer Meßgeräte und Uhren zur Verfügung steht. Die Einteilung läßt sich auf eine Gerade oder auf einen Kreis abtragen, je nachdem, ob ein lineares oder ein zyklisches System angenommen wird. Eine Verbindung von beiden gibt die Spirale, in der die Entwicklung sich sowohl fortbewegt als auch wiederkehrt, wenngleich auf verschiedenen Ebenen. Es scheint, daß zyklische Systeme dem Geist gemäßer sind. Wir bauen auch die Uhren rund, obwohl kein logischer Zwang dazu besteht. Auch Katastrophen werden als wiederkehrend angenommen, so Fluten und Verwüstung, Feuer und Eiszeiten. Das periodische Wachsen und Schwinden der weißen Kappen hat etwas Pulsierendes. Man hat den Eindruck, daß es noch einer kleinen Änderung bedürfte, und ein indisches Philosophem würde konzipiert.“
„Die Weltgeschichte wird so zu einer Reihe von Auftritten, die einander nach unerklärlichem Belieben folgen und ohne inneren Zusammenhang. Das Verbindende liegt in der Periodizität der Abläufe und ihrer morphologischen Ähnlichkeit, die der physiognomische Blick erfaßt. Da wird auch Bedeutendes und Überraschendes gesehen, und zwar in einer Fülle, die sogleich verrät, daß es sich weniger um neue Funde handelt als um eine neue Optik, einen neuen Blick.“
„An sich können mythische Mächte in der Geschichtswelt nicht entbehrt werden. Weder der Staat noch die Gesellschaft können rein dem politischen Plan folgen, ob er sich nun als Staatsräson oder als Sozialordnung darstelle.“
„Farben folgen mit ihren Eigenschaften den Veränderungen der Emotionen.“
„Geh nicht vor mir, ich kann dir nicht folgen. Gehen Sie nicht hinter mir her, es kann Sie nicht führen. Geh neben mir und sei dein Freund.“
„So schwierig es auch sein mag, diese einfachen Ursprünge zu akzeptieren, so sind sie dennoch viel leichter annehmbar als komplizierte Anfänge. Komplizierte Dinge entwickeln sich spät im Universum, als Folge langsamer, allmählicher, inkrementeller Schritte. Gott, sofern er existiert, müsste in der Tat eine sehr, sehr, sehr komplizierte Instanz sein. Einen Gott als Anfang, als Antwort auf das Rätsel der ersten Ursache des Universums zu postulieren, heißt, sich selbst konzeptuell ins eigene Knie zu schießen, weil Sie damit sofort etwas postulieren, das weitaus komplizierter ist als das, was Sie zu erklären versuchen.“
„Wir wissen also nicht, ob eine Logokratie der untereinander zerstrittenen Experten besser wäre als die Herrschaft der geistig Minderbemittelten, der wir heute unterworfen sind. Die sich ständig verschlechternde Qualität der führenden politischen Eliten ist eine Folge der wachsenden Komplexität unserer Welt. Weil niemand diese Welt voll erfassen kann, und wenn er noch so weise wäre, drängen sich jene zur Macht, die sich darüber keine Sorgen machen.“
„Gib mir zwei Stunden pro Tag Aktivität, und ich werde den anderen zweiundzwanzig in Träumen folgen.“
„Nachdem ich mich eine Zeitlang diesen aus Kindheitserinnerungen beizitierten Phantasien hingegeben hatte, beschloss ich endlich, ein Gemälde in Angriff zu nehmen, bei welchem ich mich ausschließlich darauf beschränken wollte, jedes dieser Bilder so gewissenhaft, wie es mir entsprechend der Reihenfolge und Intensität ihres Auftretens möglich war, wiederzugeben und als Kriterium und Norm ihrer Anordnung nur ganz unwillkürlich sich einstellenden Gefühlen zu folgen, wie sie ihre empfindungsmäßige Verbindung diktieren würde. Und selbstverständlich sollte sich mein persönlicher Geschmack nicht einmischen. Ich wollte nur meiner Lust folgen, meinem ganz unkontrollierbaren biologischen Verlangen. Diese Arbeit war eine der authentischsten und grundlegendsten, die der Surrealismus mit Recht für sich beanspruchen konnte.“
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