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„Solange Recht regiert und schöne Sitte,Du schlicht und gläubig gehst in sichrer Mitte,Da trittst du siegreich zwischen Molch und Drachen,Und wo du ruhst, da wird ein Engel wachen.Doch wenn die Kraft, die wir ›Uns selber‹ nennen,Die wir mit Schaudern raten und nicht kennen,Gebundne Bestien, wie geklemmt in Mauern,Die nach der alten Freiheit dunkel lauern –Wenn die rebellisch sich von dir lossagen,Gewohnheit, Glauben, Sitt und Recht zerschlagen,Und stürmend sich zum Elemente wenden:Mußt Gott du werden oder teuflisch enden.“
„Das BilderbuchVon der Poesie sucht KundeMancher im gelehrten Buch,Nur des Lebens schöne RundeLehret dich den Zauberspruch;Doch in stillgeweihter StundeWill das Buch erschlossen sein,Und so blick ich heut hinein,Wie ein Kind im FrühlingswetterFröhlich Bilderbücher blättert,Und es schweift der SonnenscheinAuf den buntgemalten Lettern,Und gelinde weht der WindDurch die Blumen, durch das HerzAlte Freuden, alten Schmerz -Weinen möcht ich, wie ein Kind!“
„Schweigt der Menschen laute Lust:Rauscht die Erde wie in TräumenWunderbar mit allen Bäumen,Was dem Herzen kaum bewußt,Alte Zeiten, linde Trauer,Und es schweifen leise SchauerWetterleuchtend durch die Brust.“
„WeltlaufWas du gestern frisch gesungen,Ist doch heute schon verklungenUnd beim letzten Klange schreitAlle Welt nach Neuigkeit.War ein Held, der legt‘ verwegenEinstmals seinen blut’gen DegenAls wie Gottes schwere HandÜber das erschrockne Land.Mußt’s doch blühn und rauschen lassenUnd den toten Löwen fassenKnaben nun nach Jungen-ArtUngestraft an Mähn‘ und Bart.So viel Gipfel als da funkelnSah’n wir abendlich verdunkeln,Und es hat die alte NachtAlles wieder gleich gemacht.Wie im Turm der Uhr GewichteRucket fort die Weltgeschichte,Und der Zeiger schweigend kreist,Keiner rät, wohin er weist.Aber wenn die eh’rnen ZungenNun zum letztenmal erklungen,Auf den Turm der Herr sich stellt,Um zu richten diese Welt.Und der Herr hat nichts vergessen,Was geschehen, wird er messenNach dem Maß der Ewigkeit —O wie klein ist doch die Zeit!“
„Die Gestalt steht in ihren titanischen Anfängen. Wer sich mit ihr beschäftigt, muß sich über jedes historische System hinauswagen. Die Umwertung der Werte genügt dazu nicht mehr. Die alte Moral vermag die Tatsachen nicht zu bewältigen, doch vor einer neuen Moral, die den Tatsachen entspräche, schrecken wir mit Recht zurück. Das führt in ein fatales Zwielicht – etwa im Hinblick auf Krieg und Frieden, die Atomkraft, die Geburtenbeschränkung, das gute Gewissen überhaupt.“
„Während der Revolutionen wird die Freiheit geringer; der Schub konsumiert. Zunächst war Freiheit als Ziel gemeint. Dann beschleunigt sich die Entwicklung auf schmalerer Bahn, macht jähe Wendungen. Das sind die Kurven, in denen dieLiberalen abspringen. Das Ziel ist stets ein anderes als das gemeinte; in ihm realisieren sich tiefere als die politischen Absichten. Nun verblassen die konstituierenden Elemente; die Konstitution tritt hervor. Die beweglichen, verändernden Kräfte werden schwächer; eine neue Harmonie wird gewonnen, ein neues Gleichgewicht stellt sich her. Dabei können die sich bildenden Typen den überwundenen recht ähnlich sein. Das führt zu, oft verblüffenden, Wiederholungen innerhalb der Stufungen, zu einerAuffrischung alter Prinzipien. Das wiederum ist die Strecke, auf der die Revolutionäre abspringen oder die Revolution ihre Kinder verschlingt.“
„Die Astrologie gibt das Muster einer Methodik, die das Leben mit größeren Abläufen verknüpft. Sie greift weit über die biologisch – historische Erfassung sowohl der Einzelnen als auch der Kulturen hinaus. Ihre Vorstellung, ihr Symbol, das Horoskop, ist zyklisch, und da es sich auf den größten und ältesten Umlauf bezieht, den wir kennen, genügt ihr eine einzige und unveränderliche Uhr zur Ablesung dessen, »was die Stunde geschlagen hat«. Dieser Zyklus setzt dem Astrologen zugleich die meßbare astronomische und die zu deutende Schicksalszeit. Logos und Nomos werden in Beziehung gesetzt, ja ausgetauscht, und schmelzen für den deutenden Blick ineinander ein.“
„Wir finden immer wieder, daß solche Wenden zugleich Aufgang und Untergang sind, zugleich die Abenddämmerung des alten und die Morgendämmerung des neuen Zeitalters.“
„Hesiod berichtet von Zeiten großen Überflusses, in denen ein Tag der Arbeit für ein Jahr der Ernte ausreichte. Auch in dieser Hinsicht nähert sich die Steinzeit am ersten dem Goldenen Zeitalter. Das beruht nicht auf der geringeren Zahl derMenschen, bei der ein größerer Anteil am Segen der Erde auf den Einzelnen entfiel. Die geringe Zahl gehört allerdings zum Bilde des Zeitalters, wie zu dem des unserendie Milliardenbevölkerung. Es beruht auch nicht auf dem besseren Klima und seiner Fruchtbarkeit. Wohl dürfen wir hier an Gewächse denken wie an den Brotbaum Polynesiens, der eine Familie ernährt, an die Banane, Musa paradisiaca, deren Früchte von den Entdeckern auch Adams- oder Paradiesfeigen genannt wurden, auch an den Mais mit seiner Riesenähre – an Zeugen eines reicheren Wachstums, die wie Zweige über die Mauer eines alten Gartens in unsere Zeit hereinragen. Wir müssen aber auch die unerschöpflichen Herden an den waldlosen Rändern der großen Vereisungen dazurechnen. Auch sie ragen in die Gegenwart hinein, als die gewaltigen Büffelherden der nordamerikanischen Prärien, die Rentierherdender Tundren und die Vogelberge der Arktis; dazu passen die Ströme, in denen der Lachs Rücken an Rücken steht.“
„Die Zähmung des Menschen wiederholt sich in den Einzelnen. Das Kind lebt noch im Märchen, im alten Überfluß. Der Knabe tritt in das heroische Zeitalter ein, das sich auch im Wechsel der Spiele, in seinen Plänen und seiner Lektüre abzeichnet. Wenn er davon träumt, auf See oder zu den Indianern zu gehen, wird eine alte Sehnsucht, eine vorbabylonische Erinnerung in ihm wach. Hierher gehört auch die Anziehungskraft des Kriminalromans, dessen tragischer Held nicht der Polizist, sondern der Verbrecher ist. Viele Verbrechen junger Menschen, auch ökonomisch gefärbte, sind ihrem Sinn nach Protestakte. Daß auch der Verbrecher nicht Urfreiheit hat, sondern im Rahmen spielt, zeigt sich, wo er zur Macht gelangt. Da versteht er sich gut mit dem Staat. Es gibt nur eine Freiheit, die dem Schach bieten kann, die des Dichters, der daher auch keinen Platz im platonischen Staat findet.“
„Der faustische Plan zerstört in seinem Fortschreiten die Hütte von Philemon und Baucismit den Linden davor. Diese Vernichtung ist hinreichend beschrieben, beklagt, als unvermeidlich erkannt worden. Wir wissen heute, wie es schon Goethe wußte, daß auch Philemons Rat sie nicht aufhalten kann: »Laßt uns läuten, knieen, beten // Und dem alten Gott vertraun.« Fausts Mißbehagen an der Hütte ist nicht nur rational, es ist spezifisch, ihn verdrießt die alte Art. Mephisto als sein Gehilfe vernichtet sie. Fausts Absicht ist, anstelle der alten Linden eine Warte zu errichten, »um ins Unendliche zu schaun«.“
„Wenn der Staatsplan in den Weltplan hinauswirkt und, wie wir es jetzt erleben, sprunghaft die Grenzen des Geschichtsfeldes und der dort erlernten Regeln überschreitet, so führt er in einen neuen Limbus der Harmonie und erfährt dort seine Ausrichtung. Er zahlt auch Eingangszoll. Während der menschliche Plan begrenzt ist, ist der Weltplan grenzenlos; er ist immer und überall. Das bedeutet, daß er auch innerhalb der Menschenpläne und ihrer Wissenschaft wirkt. Das ist ein verborgener Anteil der Pläne, der sich der Planung entzieht. Der Mensch treibt und erfindet Dinge, deren Bedeutung sich ihm versteckt. Die Alten pflegten das einfacher auszudrücken: »Der Mensch denkt und Gott lenkt.« Man braucht indessen die Theologie noch nicht zu bemühen, wenn man feststellt, daß in jedem Plan ein Regulativ verborgen ist, ein Anteil an jener Weltvernunft, die gerade das Unerwartete, ja das Absurde zu bevorzugen scheint, den Ausgang, den keine Phantasie sich erträumt hätte – indem sie etwa bei einemTier, das das Wasser verläßt, die Kiemen nicht, wie der Verstand der Verständigenes täte, zu Lungen, sondern zu ganz anderer Verwendung umbildet. Hierher gehört, was man als das Kentern, aber auch, was man als die Metamorphose des Planes überall und in unserem Zeitalter im besonderen beobachtet. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Ziel und der Absicht des Planes; das Ziel kann in ganz anderer Richtung und auch Entfernung liegen, als der planende Geist beabsichtigte. Auch wir verlassen ein Element. Wir werden Organe einbüßen, andere werden sich umbilden. Das Kleid der Erde ändert sich. Daß eine Harmonie gestört und eine neue noch nicht gewonnen ist, verrät sich auch in der antaiischen Beängstigung. Die Gefahren wachsen; es wächst aber auch Sicherheit zu. Sie kann nur jenem Potential entspringen, das sich als unsichtbarer Anteil des Weltplans im Menschenplan verbirgt.“
„Es erübrigt sich, die Symptome der antaiischen Unruhe und ihre Objekte im einzelnen aufzuführen; Bibliotheken darüber entstehen, und die Zeitungen sind davon erfüllt. Der Mensch fühlt sich unsicher auf der alten Erde; er traut den klassischen Elementen nicht mehr. Erde, Wasser und Luft werden verdächtig, das Feuer wirdfürchterlich. Es ist ein guter… Gedanke, daß sich hinter der rastlos gesteigerten Beschleunigung, der Erfindung immer schnellerer Maschinen, eine Fluchttendenz verbirgt. Man könnte hinzufügen, daßdiese Tendenz ein fünftes Element, den Äther, sucht.“
„In diesem Sinne lassen sich neue Erwägungen an Cuviers Katastrophentheorieanknüpfen. Die Lehre hat demiurgische Züge; der Weltbaumeister reißt hin undwieder sein Gebäude ein und errichtet es in einer neuen Stilart unter Anwendung anderer Prinzipien. Ähnlich verfährt schon Jehova im Alten Testament. Ererwägt immer wieder, ob er den Menschen nicht ausrotten soll.“
„Daß dieser Wechsel der Anschauung sich alten Universaltheorien zu nähernscheint, geschichtsphilosophisch Herderschen, zoologisch Cuvierschen Auffassungen, ist nicht als Rücklauf zu betrachten, sondern gehört zu den Erscheinungen des Spiralganges, der das Fortschreiten des menschlichen Denkens kennzeichnet. Die großen Ideen wiederholen sich in stets erneuter Abwandlung und folgen damit einem Grundprinzip der organischen Bildung überhaupt, wie denn auch Einzelorgane, etwa Flossen und Flügel, aus den verschiedensten Stämmen immer wieder hervortreiben.“
„Der umfassendste Tötungsakt, der heute zu beobachten ist, richtet sich gegen die Ungeborenen. Es ist vorausztusehen, daß diese Erscheinung, die in bezug auf das Individuum den Sinn einer größeren Sicherung der Lebensführung des Einzelnen besitzt, beim Typus die Rolle eines bevölkerungspolitischen Mittels spielen wird. Ebenso unschwer zu erraten ist die Wiederentdeckung der sehr alten Wissenschaft der Entvölkerungspolitik. Hierher gehören bereits die »vingt millions de trop«, ein aperçu, das inzwischen durch den Bevölkerungsschub, ein Mittel, durch das man sich sozialer oder nationaler Grenzschichten auf dem Verwaltungswege zu entledigen beginnt, an Anschaulichkeit gewonnen hat.“
„Die Einteilung der Alten in ein goldenes, silbernes, erzenes und eisernes Zeitalter bezieht sich nicht auf die Metalle im materiellen Sinn. Sie ist eher der Art verwandt, in der die Alchimisten oder auch die Astrologen von den Metallen sprechen: die Eigenschaften sind Tugenden des Seins. Wir sagen noch heute: »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold«. Es handelt sich bei dieser Einteilung im Grunde um vier Jahreszeiten eines Weltalters von abnehmender Kraft. Gold ist hier Göttliches. Es bleibt in jeder Form Gold, was aus Gold besteht: »Nichts Göttliches in dem, // Was aus ihm ward, vergeht.« (Shankara). Auch der Brahmane kennt solche Weltalter von ungeheurer Ausdehnung, die durch partielle Weltuntergänge getrennt sind und von denen jedes seine Morgen- und seine Abenddämmerung besitzt. Jedes hat seinen eigenen Götterhimmel, sein neues Menschengeschlecht.“
„Daß der Mensch sich als historisches Wesen und aus seinem historischen Wesenhinaus verändert, ist evident. Daher können die aus historischer Erfahrung gewonnenen Begriffe und Verhaltungsweisen nicht oder nur auf Sektoren ausreichen. Der alte Satz, daß der Mensch das Maß aller Dinge sei, wird fragwürdig. Er war es übrigens seit Anbeginn.“
„Auch am Materialismus ist zu unterscheiden zwischen seiner sichtbaren und seiner unsichtbaren Macht, zwischen seiner Oberflächen- und seiner Grundströmung, zwischen der Art, in der er durch Menschen vertreten und begründet wird, und seinem schicksalhaften Zug. Die große Gewalt, mit der er auf dem Erdkreis »mit dem Hammer« die alten Gesetze bricht, deutet auf einen stärkeren Auftrag als den rationalen hin. Daraus eben erklärt sich, daß er mit stets wachsender Gewalt seinen Siegeszug fortsetzt, obwohl die Theorien, die ihn vertreten, so oft und so gründlich durch glänzende konservative Geister widerlegt worden sind. Aber widerlegt man denn ein Erdbeben? Eher baut man die Städte um. Hier wiederholt sich das Schauspiel, daß der Geist, und insbesondere der gebildete Geist, eine Veränderung deshalb unterschätzt, weil sie nicht in seine Kategorien paßt. Aber er kann nicht durchdringen, weil die Kategorien selbst, etwa seine Kultur oder sein Geschichtsbild, erschüttert sind. Nun greifen die bewährten Mittel nicht mehr. So sah der Mandarin die weißen Teufel in den Häfen landen, so sah dergebildete Grieche die ersten Christen, das Zeichen des Fisches, an.“
„Daß die großen Prozesse dennoch weiterlaufen, ist ein Beweis dafür, daß es sich hier um einen Vorgang handelt, der die bürgerliche Welt und ihre Wertungen übergreift. Die Zahl der großen und kleinen Katastrophen kündet deutlich an, daß die private Sphäre den Aufgaben, die sie für sich in Anspruch nahm, nicht mehr gewachsen ist. Dies muß notwendig zu Maßnahmen führen, die mit dem alten Freiheitsbegriff nicht in Einklang zu bringen sind und auf die im einzelnen nicht eingegangen werden kann. So muß die Gewährung von Subventionen Eingriffe indie Unabhängigkeit der Wirtschaft und die Führung des Konkurrenzkampfes nach sich ziehen, und so gehören zu den natürlichen Folgen von Arbeitslosenunterstützungen schwere Beschränkungen der individuellen Grundrechte, wie der Freizügigkeit und des freien Gebrauches der Kündigung.“
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