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Thomas Bernhard
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Zitate
„Der Mensch geht immer nur so weit, wie er glaubt, dass die Welt geht.“
„Die meisten Menschen interessieren einen wirklich nicht, habe ich die ganze Zeit gedacht, fast alle, denen wir begegnen, interessieren uns nicht, sie haben uns nichts zu bieten als ihre Massenarmseligkeit und ihre Massendummheit und langweilen uns dadurch immer und überall und wir haben naturgemäß für sie nicht das geringste übrig.“
„Alles ist jeden Tag tagtäglicheine Wiederholung von Wiederholungen.“
„[…] Das allerdings ist ein absurder Gedanke. Andererseits sind, wie ich im Laufe meines Lebens jetzt schon mit Entschiedenheit weiß, gerade die absurden Gedanken die klarsten Gedanken und die absurdesten die wichtigsten überhaupt.“
„Ich dachte, daß ich ihn vor der Hochzeit noch und also nachdem ich ihn nur ein einziges Mal gesehen hatte, Gambetti beschrieben und geschildert habe. Als einen dicken, noch nicht vierzigjährigen Mann, der, weil er tagtäglich fetter wird, immer zu enge Kleidung trägt und durch die angegessene Fettleibigkeit Atembeschwerden hat, selbst wenn er spricht und daß sein Sprechen ein durch diese Fettleibigkeit erzwungenes Sprechen nur in ganz kurzen Sätzen ist, das sich längere Sätze nicht erlauben kann. Der Mann atmet geräuschvoll, habe ich zu Gambetti gesagt, und bleibt auch alle Augenblicke, wenn man mit ihm geht, stehen, dann zeigt er mit der ausgestreckten Hand auf irgendeinen Gegenstand und wenn keiner zum Herzeigen da ist, ganz einfach in irgendeine Richtung als, um von seiner Kurzatmigkeit abzulenken.“
„Aber wenn ich denke, sie haben es in Wien zu nichts gebracht, überhaupt zu nichts gebracht, so denke ich das in dem Bewußtsein, daß sie selbst gar nicht wissen, daß sie es zu nichts gebracht haben, dachte ich, denn sie geben sich alle nicht so, als wüßten sie, daß sie es zu nichts gebracht haben, sie geben sich im Gegenteil alle so, als hätten sie es zu etwas gebracht in Wien, wären etwas geworden in Wien, also, daß sich ihre auf Wien gestzten Hoffnungen durchaus erfüllt haben, denken sie, dachte ich, oder wenigstens glauben sie die meiste Zeit, daß sie zu etwas gebracht haben und glauben inständig die meiste Zeit, etwas geworden zu sein, obwohl sie nichts geworden sind, wie ich denke.“
„Wenn wir nicht wüssten, wieviele Millionen von außerordentlichen Talenten an jedem Tage in aller Welt verkümmern müssen, weil sie von keinem aufgehoben und angepackt und entwickelt und schließlich zu den höchsten Höhen hinauf entwickelt werden!“
„Und ich denke heute, die Menschen, die in unserem Leben wirklich etwas bedeutet haben, können wir an den Fingern einer Hand abzählen und sehr oft sträubt sich sogar diese eine Hand gegen die Perversität, in welcher wir glauben, eine ganze Hand zum Abzählen dieser Menschen heranziehen zu müssen, wo wir doch, wenn wir ehrlich sind, wahrscheinlich ohne einen einzigen Finger auskommen.“
„Auf Goethe, den philosophischen Kleinbürger, auf Goethe, den Lebensopportunisten, von welchem Maria immer gesagt hat, daß er die Welt nicht auf den Kopf gestellt, sondern den Kopf in den deutschen Schrebergarten gesteckt hat. Auf Goethe, den Gesteinsnummerierer, den Sterndeuter, den philosophischen Daumenlutscher der Deutschen, der ihre Seelenmarmelade abgefüllt hat in ihre Haushaltsgläser für alle Fälle und alle Zwecke. Auf Goethe, der den Deutschen die Binsenwahrheiten gebündelt und als allerhöchstes Geistesgut durch Cotta hat verkaufen und durch die Oberlehrer in ihre Ohren hat schmieren lassen, bis zur endgültigen Verstopfung. […] Allen verdirbt er den Magen, sagte ich, nur den Deutschen nicht, sie glauben an Goethe wie an ein Weltwunder. Dabei ist dieses Weltwunder nur ein philiströser philosophischer Schrebergärtner. […] In nichts hat Goethe das Höchste geleistet, sagte ich, in allem nur das Mittelmaß zustande gebracht.“
„Ich wußte, warum ich die Beamtin im Arbeitsamt Dutzende von Karteikarten aus dem Karteikasten herausnehmen hatte lassen, ich wollte in die entgegengesetzte Richtung, diesen Begriff in die entgegengesetzte Richtung hatte ich mir auf dem Weg in das Arbeitsamt immer wieder vorgesagt, immer wieder in die entgegengesetzte Richtung, die Beamtin verstand nicht, wenn ich sagte, in die entgegengesetzte Richtung, denn ich hatte ihr einmal gesagt, ich will in die entgegengesetzte Richtung, sie betrachtete mich wahrscheinlich als verrückt, denn ich hatte tatsächlich mehrere Male zu ihr in die entgegengesetzte Richtung gesagt, wie, dachte ich, kann sie mich auch verstehen, wo sie doch überhaupt nichts und nicht das geringste von mir weiß. Sie hatte mir, schon ganz verzweifelt über mich und über ihren Karteikasten, eine Reihe von Lehrstellen angeboten, aber diese Lehrstellen waren alle nicht in der entgegengesetzten Richtung gewesen, und ich mußte ihre Lehrstellenangebote ablehnen, ich wollte nicht nur in eine andere Richtung, ich wollte in die entgegengesetzte Richtung, ein Kompromiß war unmöglich geworden, so hatte die Beamtin immer wieder eine Karteikarte aus dem Karteikasten herauszuziehen gehabt, und ich hatte diese Karteikartenadresse abzulehnen gehabt, weil ich kompromißlos in die entgegengesetzte Richtung wollte, nicht nur in eine andere Richtung, nur in die entgegengesetzte. Die Beamtin hatte es so gut wie ihr möglich mit mir gemeint, und wahrscheinlich war sie von den ihr besten Adressen ausgegangen, sie betrachtete zum Beispiel eine Lehrstellenadresse in der Stadtmitte, also die Adresse eines der größten angesehensten Kleidergeschäfte mitten in der Stadt, als die allerbeste, und sie verstand ganz einfach nicht, daß mich nicht die allerbeste Adresse interessierte, sondern nur die entgegengesetzte, sie, die Beamtin, hatte mich ganz einfach gut unterbringen wollen, aber ich wollte ja gar nicht gut untergebracht sein, im Gegenteil, ich wollte in die entgegengesetzte Richtung, immer wieder hatte ich vorgebracht, in die entgegengesetzte Richtung, aber sie ließ sich dadurch nicht beirren, mir ihrerseits immer wieder eine sogenannte gute Adresse aus dem Karteikasten herauszuziehen, heute höre ich noch ihre Stimme Adressen sagen, die jeder in der Stadt kennt, die stadtbekanntesten und stadtberühmtesten Adressen, aber diese Adressen interessierten mich nicht, daß es sich um ein Geschäft handeln müsse, in das Menschen eintreten, sehr viele Menschen, hatte ich ihr sofort nach meinem Eintreten gesagt gehabt, aber ihr doch nicht erklären können, was ich meinte, wenn ich sagte, in die entgegengesetzte Richtung, ich hatte ihr erklärt, daß ich so viele Jahre durch die Reichenhaller Straße in die Stadt in das Gymnasium gegangen sei, jetzt wollte ich in die entgegengesetzte Richtung, gutmütig, wie sie gewesen war, entschlossen, wie ich, hatten wir über eine halbe Stunde das Karteikartenspiel gespielt, indem sie eine Karteikarte aus dem Karteikasten herauszog und eine Adresse nannte und ich die Adresse ablehnte; ich lehnte jede Adresse ab, weil keine dieser von ihr aus dem Karteikasten herausgezogenen Adressen jene gewesen war, die ich suchte, alle diese von mir abgelehnten Adressen, und damals hatte es, zum Unterschied von heute, Hunderte von offenen Handelslehrstellen in Salzburg gegeben, waren keine Adressen in der entgegengesetzten Richtung gewesen, die ich wünschte, die besten Adressen, die sich denken lassen, aber keine in der entgegengesetzten Richtung, bis die Adresse des Karl Podlaha in der Scherzhauserfeldsiedlung an der Reihe gewesen war.“
„Wir können uns einreden, dass wir mit einem Buch nicht allein sind, wie wir uns einreden können, dass wir mit einem Menschen nicht allein sind.“
„Wir sollten immer daran denken, daß es auch noch etwas anderes auf der Welt gibt als die Gewöhnlichkeit.“
„In die Natur hineingehen und in dieser Natur ein- und ausatmen und in dieser Natur nichts als tatsächlich und für immer Zuhause zu sein, das empfände er als das höchste Glück. In den Wald gehen, tief in den Wald hinein, sagte der Burgschauspieler, sich gänzlich dem Wald überlassen, das ist es immer gewesen, der Gedanke, nichts anderes, als selbst Natur zu sein.“
„Schon die Vorbereitungen unserer Eltern auf die Berge hatten uns gegen sie und dadurch gegen die Berge aufgebracht, gegen die frische Luft und gegen die von unseren Eltern ununterbrochen herbeigesehnte Ruhe, die sie in den Bergen zu finden glaubten, aber doch nie als in ihnen, wie wir wissen, gefunden haben; schon wie sie von dem neuerlichen bevorstehenden Hochgebirgsaufenthalt gesprochen haben, wie sie ihre Hochgebirgshabseligkeiten eingepackt und uns mit diesem Einpacken ihrer Hochgebirgshabseligkeiten konfrontiert haben, hatte uns gegen ihre Hochgebirgsabsicht und gegen ihre Hochgebirgsleidenschaft und schließlich gegen ihren Hochgebirgswahnsinn aufgebracht und wir waren von dieser ihrer Hochgebirgsabsicht und -leidenschaft, wie von ihrem Hochgebirgswahnsinn abgestoßen gewesen.“
„Die Großväter sind die Lehrer, die eigentlichen Philosophen jedes Menschen, sie reißen immer den Vorhang auf, den die andern fortwährend zuziehen.“
„Das Geschäft der Kunsthistoriker ist das übelste Geschäft, das es gibt, und ein schwätzender Kunsthistoriker und es gibt ja nur schwätzende Kunsthistoriker, gehört mit der Peitsche verjagt.“
„Immer wieder haben wir die Vorstellung, wir sitzen mit jenen zusammen zu denen wir uns lebenslänglich hingezogen fühlen, eben zu diesen sogennanten einfachen Leuten, die wir uns naturgemäß ganz anders vorstellen, als sie in Wahrheit sind, denn setzen wir uns tatsächlich mit ihnen zusammen, sehen wir, daß sie nicht so sind, wie wir gedacht haben und daß wir absolut nicht zu ihnen gehören, wie wir uns eingeredet haben und wir holen uns an ihrem Tisch und in ihrer Mitte immer nur das geführchtete Vordenkopfstoßen, das wir folgerichtig empfinden, wenn wir uns an ihrem Tisch gesetzt haben und geglaubt haben, wir gehörten zu ihnen oder wir könnten uns auch nur die kürzeste Zeit zu ihnen setzen ungestraft, was der größte Irrtum ist, dachte ich. Lebenslänglich haben wir Sehnsucht nach diesen Leute und wollen zu ihnen und werden, wenn wir wahr machen, was wir ihnen gegenüber empfinden, von ihnen zurückgewiesen und zwar auf die rücksichtsloseste Weise.“
„Träume und Märchen waren ihr eigentlicher Lebensinhalt, dachte ich jetzt. Deshalb hat sie sich auch umgebracht, dachte ich, weil ein Mensch, der nur Träume und Märchen sich zu seinem Lebensinhalt gemacht hat, in dieser Welt nicht überleben kann, nicht überleben darf, dachte ich.“
„Ausgerechnet der Mensch ist unmenschlich.“
„Oft lese ich ganze Seiten und weiß gar nicht, was ich gelesen habe. Ich fange dann noch einmal von vorn an und entdecke, daß das schön ist, was ich gelesen habe. Es handelt von Menschen, die unglücklich sind.“
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