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Ernst Jünger
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„Hesiod berichtet von Zeiten großen Überflusses, in denen ein Tag der Arbeit für ein Jahr der Ernte ausreichte. Auch in dieser Hinsicht nähert sich die Steinzeit am ersten dem Goldenen Zeitalter. Das beruht nicht auf der geringeren Zahl derMenschen, bei der ein größerer Anteil am Segen der Erde auf den Einzelnen entfiel. Die geringe Zahl gehört allerdings zum Bilde des Zeitalters, wie zu dem des unserendie Milliardenbevölkerung. Es beruht auch nicht auf dem besseren Klima und seiner Fruchtbarkeit. Wohl dürfen wir hier an Gewächse denken wie an den Brotbaum Polynesiens, der eine Familie ernährt, an die Banane, Musa paradisiaca, deren Früchte von den Entdeckern auch Adams- oder Paradiesfeigen genannt wurden, auch an den Mais mit seiner Riesenähre – an Zeugen eines reicheren Wachstums, die wie Zweige über die Mauer eines alten Gartens in unsere Zeit hereinragen. Wir müssen aber auch die unerschöpflichen Herden an den waldlosen Rändern der großen Vereisungen dazurechnen. Auch sie ragen in die Gegenwart hinein, als die gewaltigen Büffelherden der nordamerikanischen Prärien, die Rentierherdender Tundren und die Vogelberge der Arktis; dazu passen die Ströme, in denen der Lachs Rücken an Rücken steht.“
„Demgegenüber kann von Opfern weder im sakralen Sinne, etwa von Kreuzzügen, noch im heroischen noch selbst im praktischen, etwa der Staatsräson, mehr dieRede sein. Wir müssen dieser Tötung auch jene abstrakten Formen zurechnen, die wir als Unfall ansehen. Sie reichen nicht nur rein zahlenmäßig an frühere Kriegsverluste heran, sondern es zeichnet sich sogar die Gefahr von Massenkatastrophen ab. Auch das fällt unter die Verantwortung.“
„Der Unterschied zwischen dem Menschen, der wie der Richter oder der Feldherr auf legale Weise über das Leben verfügt, gegenüber dem Henker und dem Mörder wird unscharf, kann diskutiert werden, während zugleich zahllose Unschuldige wegen geringfügiger sozialer oder ökonomischer Differenzen des Lebens beraubt werden oder als Sklaven dahinschmachten.“
„Wie hat der deutsche Soldat zweimal hintereinander unter einer unfähigen politischen Führung gegen die ganze wider ihn verbündete Welt sich halten können? Das ist die einzige Frage, die man meiner Ansicht nach in 100 Jahren stellen wird.“
„Wo der Liberalismus seine äußersten Grenzen erreicht, schließt er den Mördern die Tür auf. Das ist Gesetz!“
„Nicht nur hat jedes Licht seinen Schatten, sondern jeder Schatten hat auch sein Licht. Wir leben in einer Zeit großer Spannungen, aber gemeinsamer Tendenz. Diese Spannungen haben zwar ihre Geschichte, erklären sich aber nicht durch die Geschichte allein, gleichviel ob man sie in ihrer geistigen, politischen oder technischen Entwicklung zurückverfolgt.“
„Je beschränkter, je mehr durch die bloße Ziffer geblendet ein Geist ist, desto sinnloser muß die Katastrophe ihm vorkommen. Die Katastrophe hat aber ihren Platz und ihre Aufgabe in der Welt. Sie ist nicht nur ein Zeichen dafür, daß die Ordnung gestört ist, sondern auch dafür, daß sie sich wiederherstellen will. Wir dürfen annehmen, daß es immer einen Ort gibt, von dem aus gesehen sie im Plan liegt, selbst wenn es sich um Ausbrüche in einer unvorstellbaren Größenordnung handelt, einer Supernova etwa.“
„Der Mechanismus des Unterganges wird verschieden gesehen – es ist viel Temperamentssache dabei. Die Neptunisten haben andere Vorstellungen als die Plutonisten; im Ergebnis ist kein großer Unterschied. Die Unterhöhlung, etwa durch Auslaugung oder Auswaschung, kann lange unbemerkt bleiben. Wenn sie genug gewirkt hat, kommt es zum Einsturz, zur Katastrophe von tektonischer Gewalt. Nun sucht man die Schuldigen und hält sich an Strohmänner.“
„Nietzsche sieht weit in das Kommende. Er gehört nicht mehr zu den klassischen Philosophen; die denkerische Kraft schlägt unversehens, wie durch eine brüchig gewordene Isolierung, in dichterische um. Die Isolierung ist impressionistisch: »Abgerechnet nämlich, daß ich ein décadent bin, bin ich auch dessen Gegensatz« (»Ecce homo«). Den Eintritt in die Dichtung darf man auch so auslegen, daß der Gedanke nicht mehr genügt. Nietzsche sagt einmal, daß, wo er noch gehe, bald niemand mehr werde gehen können; später, in Turin, hätte er sagen können: wo ich jetzt gehe, ging niemand mir voraus. Dort ist sichtbarer Überfluß, sind Midas und Danae.“
„Die Zähmung des Menschen wiederholt sich in den Einzelnen. Das Kind lebt noch im Märchen, im alten Überfluß. Der Knabe tritt in das heroische Zeitalter ein, das sich auch im Wechsel der Spiele, in seinen Plänen und seiner Lektüre abzeichnet. Wenn er davon träumt, auf See oder zu den Indianern zu gehen, wird eine alte Sehnsucht, eine vorbabylonische Erinnerung in ihm wach. Hierher gehört auch die Anziehungskraft des Kriminalromans, dessen tragischer Held nicht der Polizist, sondern der Verbrecher ist. Viele Verbrechen junger Menschen, auch ökonomisch gefärbte, sind ihrem Sinn nach Protestakte. Daß auch der Verbrecher nicht Urfreiheit hat, sondern im Rahmen spielt, zeigt sich, wo er zur Macht gelangt. Da versteht er sich gut mit dem Staat. Es gibt nur eine Freiheit, die dem Schach bieten kann, die des Dichters, der daher auch keinen Platz im platonischen Staat findet.“
„Andererseits ist der Dichter nicht nur Künder, sondern auch Spender des Überflusses; daher ist er notwendiger als alle Ökonomen, und das Gedicht ist wichtiger als jede Wissenschaft. Der Dichter schöpft noch aus dem Unaufgeteilten; er leidet früher, wenn es sich vermindert, spürt aber eher auch seine Wiederkehr. Denn auch der Überfluß – das ist ein tröstlicher Gedanke – hat Wiederkehr. Es kann nicht anders sein, da ja das Universum sich nicht vermindert, stets unerschöpflich bleibt.“Ernst Jünger, An der Zeitmauer, 1959, in: Sämtliche Werke, 2. Abteilung, Band 8, S. 505-506„Die Berichte über das Goldene Zeitalter stimmen darin überein, daß es ein schuldloses Zeitalter gewesen sei. Es muß also notwendig nicht nur ohne Theologie, sondern auch ohne Wissenschaft gewesen sein, nicht nur ohne Buchstaben-, sondern auch ohne Bilderschrift. Der ungebrochene Mensch hat Wissen, doch keine Wissenschaft. Er kennt weniger die Eigenschaften der Steine, Pflanzen und Tiere als ihre Tugenden. Sie sprechen zu ihm.“
„Wo von Ökonomie auch nur die Rede ist, hat der Schwundbereits begonnen; er triumphiert, wo das ökonomische Denken den Vorrang gewinnt. Dort versiegt, neben anderen Zeichen des Überflusses, auch die Poesie.“
„Wir wollen zunächst von Art und Schwere dieser Verletzungen und von der naheliegenden Frage, ob sie heilbar sind oder nicht, absehen und uns mit ihrem Sinn beschäftigen. Im besonderen ist zu erwägen, ob es sich um eine Wiederkehr handelt, etwa um die Wiederkehr mythischer Mächte, die unter Verhüllungen in die zerbröckelnde Geschichtswelt und ihre Lücken eindringen, oder ob diese Möglichkeit ausgeschlossen ist.“
„Nach entsprechenden Anzeichen wurde früher, als noch eine ausgeprägte Mantik bestand, schärfer Ausschau gehalten. Man bemühte sich, jede Veränderung, und vor allem solche, die am Himmel beobachtet wurden, im Zusammenhang zu sehen. Hierfür ist der Blick immer mehr verloren gegangen. Auch in der Naturwissenschaft weichen Theorien von harmonischem Charakter solchen von mechanistischer Rasanz. Daher kommt es, daß großartige Zusammenfassungen wie Humboldts »Kosmos« nicht mehr möglich sind.“
„Es bleibt die Vermutung, daß andere Größen einspielen, etwa astronomische. Dabei sei wieder auf die Astrologie verwiesen, nicht etwa deshalb, weil diese Lehre buchstäblich genommen wird, sondern weil sie solche Größen zugleich praktisch messend und unter Beziehung auf metaphysische Qualitäten anwendet. Damit gibt sie nicht ein Verfahren, aber das Modell eines Verfahrens, das sowohl unserer historischen als auch unserer naturwissenschaftlichen Methodik überlegen ist, ja dessen Synoptik ihnen auf verhängnisvolle Weise fehlt.“
„In der Krisis schwinden die Dimensionen; auch das ist Augentrug. Die Todesnähe verändert Zeit und Raum.“
„Dem Tief, das sich durch wachsende Depression ankündet, kann man nicht ausweichen, weder tatsächlich noch moralisch noch intellektuell – gleichviel ob es sichum die persönliche Katastrophe handelt oder um die kosmische, den Weltuntergang. Nur so lassen sich beide bestehen. Der Weg führt über den Nullpunkt hinweg, führt über die Linie, über die Zeitmauer und durch sie hindurch.“
„Begrenzung kann sich erst ergeben, wenn die Gestalt des Arbeiters den Rahmen, den die Welt bietet, ohne Hohlraum ausfüllt, das heißt: zur Weltherrschaft gekommen ist. Dem entspricht eine auch heute noch unvorstellbare Energiefülle, die umein Zentrum geordnet ist. Die Mittel verlieren ihren unheilvollen Glanz nicht etwa dadurch, daß ihre friedliche Kapazität entwickelt, herausgezüchtet wird, sonderndadurch, daß sie in ihrer Gesamtpotenz den legitimen Souverän gefunden haben, auf den sie angelegt gewesen sind. Damit erfahren sie zugleich in ihrem energetischen Charakter eine Änderung. Sie können gehegt werden.“
„Daß die Mittel zu stark geworden seien, ist ein Halbzeiturteil; sie immer mächtiger zu machen, ist offensichtlich die Welttendenz. Der Energiehunger ist heute stärker als jeder andere. Angesichts dieses Schauspiels erhebt sich die Frage, ob es seiner Konsequenz und innersten Absicht nach zur Explosion führen soll, oder ob es in sich Genüge finden wird.“
„Von einer rationalen Behandlung der Tatsachen dürfen wir uns auf alle Fälle mehr versprechen als von der moralischen. Daß das Moralische sich von selbst verstehe, ist ein gutes Wort. Außerdem liegt das Moralische dichter an den Leidenschaften als die Vernunft. Der Mensch hat zu allen Zeiten ziemlich genau gewußt, was gut und was böse ist, aber durchaus nicht immer das Vernünftige erkannt. Das gilt vor allem dort, wo der Gang der Tatsachen schneller ist als ihre Erfassung und wo eine Überraschung die andere jagt. Wenn der Geist sie als unsinnig empfindet, bekennt er, daß er nicht Schritt gehalten, daß er die Herrschaft verloren hat. Das bedeutet nicht, daß die Tatsachen nicht auch ihr Ziel haben. Daher werden sie auch heute unterhalb der Konflikte, unterhalb der moralischen Erwägung und der Panik vom Menschen bejaht. Sie sind objektivierter Geist, und daher genießen sie mehr oder minder verborgene Sanktion.“
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