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Ernst Jünger
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„Ferner: Gab es immer, solange Menschen auf der Welt sind, Weltgeschichte in unserem Sinn? Ohne Zweifel nicht, da wir von Vor- und Urgeschichte sprechen, die wir entweder aus unserer Geschichtsbetrachtung ausklammern oder als Vorsaal in sie einbeziehen. Eine Person, eine Begebenheit muß ganz bestimmte Eigenschaften aufweisen, um »geschichtlich« zu sein. Dazu gehört sowohl die geschichtsbildende Kraft als auch die Fähigkeit, Gegenstand der Geschichtschreibung und des in ihr waltenden Eros, Objekt der historischen Anschauung zu sein. Diese heftet sich an bestimmte, nicht an beliebige Zeiten und Vorgänge.“
„Sollte etwa der Einschnitt, der so offensichtlich unsere Jahre zeichnet, nicht nur zwei Epochen menschlicher Geschichte trennen, sondern zugleich sowohl den Ablauf als auch den Beginn eines größeren Zyklus ankünden? Das würde bedeuten, daß selbst zur Erfassung grober Fakten die Mittel der Geschichtsbetrachtung nicht ausreichen. Das würde bereits der Fall sein, wenn es sich um einen verhältnismäßig kleinen Zyklus, etwa von zehn- oder zwanzigtausend Jahren, handelte. Ein solcher Zyklus ist winzig, verglichen etwa mit einem indischen Götterjahr oder auch mit den Abläufen, die unsere Astronomie, Geologie oder Paläontologie berücksichtigen.“
„Von solcher Herbst- und Abendstimmung ist wenig zu bemerken – die Jahre fordern sowohl den Pessimismus wie den Optimismus stärker heraus. Auf der einen Seite werden sie nicht als Spät-, sondern als Endzeit gesehen, auf der anderen mit einem Jubel, einem Opfermut begrüßt, der nicht zu erklären, geschweifge denn zu widerlegen ist. Beides zusammen deutete auf eine ungewöhnliche Zäsur.“
„Der ungeheure Zug, den wir erleiden, kann nicht allein aus schärferer Durchdenkung der Welt entspringen; er treibt andere Symptome hervor als der cäsarische Altersstil. Nach dieser Theorie müßten die Söldnerheere zunehmen; ihr widerspricht die Totale Mobilmachung. Der Gebildete würde sich durch einen ganz anderen Abstand von den Dingen auszeichnen, durch geistige Gelassenheit, sei es im Sinn der Stoa oder Epikurs. Die Machtfragen würden weniger mit Moralfragen verquickt werden, und umgekehrt. Im allgemeinen würde man angenehmer leben, wie fast immer in Spät- und Verfallszeiten.“
„Beunruhigend im Sinne des Erstaunlichen und »Eintretenden« sind andere Wahrnehmungen, wie etwa, um ein Beispiel zu nennen, jene, daß sich die Spezies sowohl an sich als auch im Verhältnis der Geschlechter offensichtlich zu verändern beginnt, und das in einer Weise, für die es weder im historischen Nacheinander noch im ethnographischen Nebeneinander Vorgänge gibt. Das deutet auf Veränderungen, die im Turnus nicht zu belegen sind, falls sie sich nicht auf Kreisläufen abzeichnen, deren Bewegungen langfristiger als die der Kulturen oder überhaupt der Geschichtszeit sind.“
„Diese Geschichtswahrung ist das große Thema der abendländischen Kultur. Das unterscheidet sie von allen anderen. Ihr gegenüber wird die Streitfrage, ob Geschichte als Staaten- und Kriegs- oder als Kulturgeschichte im engeren Sinn behandelt werden sollte, zweiten Ranges – das Wesentliche ist die Wahrung eines eigentümlichen Nomos, eines So-Seins, das sich in der Kultur bestätigt, im Kampf verteidigt wird. Es ist die Würde des historischen Menschen, die sich gegen Naturgewalten und Barbarenvölker einerseits, gegen die Wiederkehr mythischer und magischer Mächte andererseits zu behaupten sucht. Diese Würde ist eigentümlich; Bewußtheit, Freiheit, Recht, Personalität durchdringen sich in ihr auf besondere Weise oder strahlen von ihr aus als von einem Urphänomen. Sie bestimmt den Gang der schaffenden und handelnden Menschen, der »Großen«, der Vorbilder in Werken und Taten, und sie begrenzt, was dem leidenden Menschen zugemutet werden darf. Dieses Maß und dieses Maßhalten wird oft verletzt, wird oft vergessen, aber es zieht sich als Höhenlinie, als Maßstab der Menschen und Dinge durch das Massiv des Geschehens, und auch die große Geschichtschreibung setzt sich auf dieser Gratlinie fort.“
„Eine der großen Anstrengungen der nachherodotischen, also der abendländischen Kultur im weiteren (nicht im Spenglerschen) Sinne besteht daher in der Wahrung ihrer geschichtlichen Struktur, sei es der des Staates, des Denkens oder der Person und ihres Freiheitsanspruchs, gegen den Angriff mythischer Mächte und ihrer Wiederkehr. Das, und nicht der Kampf zwischen Nationen und Wirtschaftsformen, gehört zur wesentlichen Erfassung des Abschnittes, der hinter uns liegt. Von Geschichtswahrung, von Geschichtsbewußtsein überhaupt in diesem Sinne, kann nur in ihm die Rede sein. Diese Geschichtswahrung ist das große Thema der abendländischen Kultur. Das unterscheidet sie von allen anderen.“
„Übrigens setzt sich dieses Verhältnis, wenn nicht in der späteren Geschichtschreibung, so doch in der Geschichte fort. Die Bilder, Personen, Ereignisse im Geschichtsfeld sind immer in Gefahr, vom Mythos angestrahlt und überwältigt zu werden, und das gerade in Augenblicken, in denen das Historische zu kulminieren scheint.“
„Dabei ergibt sich eine nur anzudeutende Schwierigkeit. Es wiederholt sich die Lage des Herodot mit umgekehrten Vorzeichen. Herodot blickte aus dem historischen Raum, den er soeben betreten hatte, auf den mythischen zurück. Er tat es mit Scheu. Die gleiche Scheu ist heute dort geboten, wo sich jenseits der Zeitmauer Zukünftiges abzeichnet. In jeder Benennung schlummert Gefahr.“
„Wenn wir annehmen, daß wir uns am Abschluß eines Zyklus befinden, der die Geschichte, ja vielleicht die menschliche Existenz auf dieser Erde übergreift und daß bereits ein neuer Zeitgroßraum auf den Menschen einwirkt, so dürfen wir folgern, daß Erscheinungen eintreten werden oder bereits eingetreten sind, wie sie geschichtlich oder selbst anthropologisch noch nicht fixiert wurden. Da Erdgeschichte aber die Menschengeschichte weit überdauert, könnte aus ihr als einer umfassenden Kategorie vielleicht Vergleichbares geschöpft werden.“
„Von Jahr zu Jahr wird beklemmender, mächtiger spürbar, daß Dinge im Werden sind, vor denen auch Ben Akiba erstaunen würde – eben deshalb, weil sie im Geschichtlichen nicht unterzubringen sind. Das eben bezeugt auch die Tatsache der astrologischen Beunruhigung, von der wir ausgegangen sind. Daß Millionen ihr Horoskop verfolgen, mag als Faktum unwichtig sein. Das ändert wenig oder nichts. Höchst aufschlußreich dagegen ist es als Symptom.“
„Die groben Einbrüche, die an vielen Stellen die Geschichtslandschaften in elementare verwandeln, verhüllen Veränderungen feinerer, aber durchdringenderer Art. Bedenklicher ist, daß sich der Mensch in seinem Wesen, als Wesen, zu verändern beginnt. Es tritt etwas Neues und Fremdartiges in ihn ein, und zwar generell, über Nationen, Rassen und Bildungsstufen hinweg, auf planetarische Art. Diese Veränderungen sind unsichtbarer als die der Technik, obwohl sie mit ihrzusammenhängen, und sind ursächlicher.“
„Es muß aber dem, der wissen will, was vorgeht, mehr an einer Typologie unserer Welt und ihrer Vorgänge als an ihrer polemischen Beleuchtung gelegen sein.“
„In dieser babylonischen Verwirrung sucht die Geschichtschreibung Anleihen zumachen, sei es bei der Theologie, der Mythologie und Dämonologie, sei es bei der Psychologie und Moral, oder sei es einfach bei der Politik. In der Tat kann man kaum noch ein Buch zur Zeitgeschichte aufschlagen, bei dem nicht sein politischer Standort, und damit mehr Absicht als Ansicht, sogleich durchleuchtet.“
„Aus der Welt verschwindet mit den historischen Bindungen und Landschaften auch das Verhalten, das sich nach geschichtlichen Vorbildern beurteilen und prognostizieren läßt. Daher beginnen auch Wörter trügerisch zu werden, die zum eisernen Bestand des geschichtlichen Handelns und der Verträge gehörten, wie »Krieg« und »Frieden«, »Volk«, »Staat«, »Familie«, »Freiheit«,»Recht«.“
„Nichts ist wahrscheinlicher, als daß im frühen Überfluß der Welt, in einem Leben ohne Sparsamkeit und Grenzen, die Furcht geringer gewesen ist als je in Zeiten, die jenen folgten, in denen der erste Pflug die Erde ritzte und die erste Mauer eine tätte umgab.“
„Nur der Jäger will auch nach dem Tode weitertreiben, was sein Leben ausmachte: in den Ewigen Jagdgründen. Das gibt es in keiner anderen Zeit.“
„Was helfen die besten Gewehre, wenn kein Wild mehr erscheint.“
„Wir finden immer wieder, daß solche Wenden zugleich Aufgang und Untergang sind, zugleich die Abenddämmerung des alten und die Morgendämmerung des neuen Zeitalters.“
„Daß die Götter ohne die Hilfe des Herakles die Titanen nicht besiegen können, ist eine Weisheit des Mythos; auch können sie sie nicht vernichten, nur einschließen. Bei jeder Wendeklopft es aus der Tiefe an.“
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