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Ernst Jünger
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Seite 18
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„Es muß nun zugegeben werden, daß die Behauptung der Freiheit heute besonders schwierig ist. Der Widerstand erfordert große Opfer; daraus erklärt sich die Überzahl derjenigen, die den Zwang vorziehen. Dennoch kann echte Geschichte nur durch Freie gemacht werden. Geschichte ist die Prägung, die der Freie dem Schicksal gibt. In diesem Sinnefreilich kann er stellvertretend wirken; sein Opfer zählt fürdie anderen mit.“
„Man tut daher auch gut, stets das Notwendige im Auge zubehalten, wenn man sich nicht in Illusionen verlieren will. Die Freiheit allerdings ist mit dem Notwendigen gegeben, und erst, wenn sie zu ihm in Relation tritt, stellt sich die neueVerfassung dar. Zeitlich gesehen, bringt jede Veränderungim Notwendigen auch eine Veränderung der Freiheit mit.“
„Wir berühren hier das Notwendige, das Schicksal, das die Gestalt des Arbeiters bestimmt. Geburten sind nie ohne Schmerz. Die Prozesse werden sich fortsetzen, und wie in jeder Schicksalslage werden alle Versuche, sie aufzuhalten und in die Ausgangslinie zurückzukehren, sie eher fördern und beschleunigen.“
„Wer dem Geschehen, das mit so viel Leiden verbunden ist, sinnvolle Züge abzugewinnen sucht, macht sich zum Stein des Anstoßes. Dennoch sind alle Prognosen verfehlt, die auf der reinen Untergangsstimmung beruhen. Wir durchschreiten vielmehr eine Reihe immer deutlicherer Bilder, immer klarerer Prägungen. Auch Katastrophen unterbrechen kaum die Bahn, kürzen sie eher in vielem ab. Es ist kein Zweifel, daß Ziele vorhanden sind. Millionen stehen in ihrem Banne, führen ein Leben, das ohne diese Aussicht unerträglich wäre und das durch bloßen Zwang nicht zu erklären ist. Die Opfer werden vielleicht spät gekrönt, doch nicht vergeblich gewesen sein.“
„Inwiefern ist Freiheitwünschbar, ja überhaupt sinnvoll innerhalb unserer historischen Lage und ihrer Eigenart? Liegt denn nicht ein besonderes und leicht zu unterschätzendes Verdienst des Menschen dieser Zeit gerade darin, daß er in weitem Umfang auf Freiheit zu verzichten weiß? In vielem gleicht er einem Soldaten auf dem Marsche zu unbekannten Zielen oder dem Arbeiter an einem Palast, den andere bewohnen werden; und das ist nicht sein schlechtester Aspekt. Soll man ihn ablenken, solange die Bewegung im Gange ist?“
„Zum Mythischen kehrt man nicht zurück, man begegnet ihm wieder, wenn die Zeit in ihrem Gefüge wankt, und im Bannkreis der höchsten Gefahr. Auch heißt es nicht, der Weinstock oder — sondern es heißt: der Weinstock und das Schiff. Es wächst die Zahl derjenigen, die das Schiff verlassen wollen und unter denen auch scharfe Köpfe und gute Geister sind. Im Grunde heißt das, auf hoher See aussteigen. Dann kommen der Hunger, der Kannibalismus und die Haifische, kurz, alle Schrecken, die uns vom Floße der »Medusa« berichtet sind. Es ist daher auf alle Fälle rätlich, an Bord und auf Deck zubleiben, selbst auf die Gefahr hin, daß man mit in die Luftfliegen wird.“
„Das ist der Grund, aus welchem unter den Cäsaren die zahlreichen Versuche, zur Republik zurückzukehren, scheiterten. Die Republikaner waren im Bürgerkrieg gefallen, oder sie gingen verändert aus ihm hervor.“
„Wenn man den Staat als die Institution der Institutionen betrachtet, so braucht er deswegen nicht die machina machinarum zu sein. Die technische Entwicklung ist auf den Staat nicht angewiesen, vor allem, wenn sie von der Rüstung entlastet wird.“
„Um das Nichts zu wollen, muß man zunächst nicht wollen. Das trifft nicht für unseren Nihilismus zu. Er will nicht das Nichts, er will ein Etwas nicht: die väterliche Macht.“
„Die Grenzen schwinden, und damit schmelzen sehr alte Sonderungen ein. Die Menschen werden sich ähnlicher, nicht nur im Weltstil des Denkens und Handelns, sondern auch im Habitus. Das Wort »Mensch« gewinnt eine Bedeutung, die ihm bisher nur in der Idee, im Kultus oder im Mythos zugeteilt werden konnte, auf unmittelbare, tatsächliche Art. Zugleich verliert es andere, historische Bedeutungen. Die dynamischen, auch die eruptiven, Vorgänge nehmen zu; die Strahlung dringt tief in den Kosmos ein. In der Raumfahrt wird die Beschleunigung astronomisch, die Erde zum Mutterschiff. Überhaupt wird die Erscheinung ambivalent in der Weise, daß statistische und dynamische Vorstellungen ununterscheidbar werden, wie das besonders in der Theorie des Lichtes sich vexierend ausdrückt – das entspricht der Situation an der Zeitmauer. Ein Wissen, das sich stündlich ändert, zeugt nicht für Fortschritt, sondern für Übergang.“
„Soviel zur Theorie der Katastrophe. Es steht nicht frei, sie zu vermeiden, doch gibt es Freiheit in ihr. Sie zählt zu den Prüfungen.“
„Wer Katastrophen entronnen ist, der weiß, daß er es im Grunde der Hilfe von einfachen Menschen verdankt, über die der Haß, der Schrecken, der Automatismus der Gemeinplätze nicht Macht gewann. Sie widerstanden der Propaganda und ihren Einflüsterungen, die rein dämonisch sind. Unendlicher Segen kann erwachsen, wenn diese Tugend in den Führern der Völker, wie in Augustus, sichtbar wird. Darauf begründen sich Imperien. Der Fürst herrscht nicht, indem er tötet, sondern indem er das Leben schenkt. Darin liegt eine der großen Hoffnungen: daß unter den zahllosen Millionen ein vollkommener Mensch auftrete.“
„Soviel in Kürze, da uns hier andere als politische Ideen beschäftigen. Es handelt sich vielmehr um die Gefährdung und um die Furcht des Einzelnen. Der gleiche Zwiespalt beschäftigt ja auch ihn. An sich belebt ihn der Wunsch, sich seinem Beruf und seiner Familie zu widmen, seinen Neigungen nachzugehen. Dann macht die Zeit sich geltend – sei es, daß die Bedingungen allmählich sich verschlechtern, sei es, daß er sich plötzlich von extremer Seite aus angegangen sieht. Enteignung, Zwangsarbeit und Schlimmeres tauchen in seinem Umkreis auf. Bald wird ihm deutlich, daß Neutralität mit Selbstmord gleichbedeutend wäre – hier heißt es, mit den Wölfen heulen oder gegen sie ins Feld ziehen. Wie findet er in solcher Bedrängnis ein Drittes, das nicht gänzlich in der Bewegung untergeht? Wohl nur in seiner Eigenschaft als Einzelner, in seinem menschlichen Sein, das unerschüttert bleibt. Es ist in solchen Lagen als großes Verdienst zu preisen, wenn die Kenntnis des rechten Weges nicht gänzlich verloren geht.“
„Der Friede von Versailles schloß bereits den Zweiten Weltkrieg ein. Auf offene Gewalt begründet, gab er das Evangelium, auf das jede Gewalttat sich bezog. Ein zweiter Friede nach diesem Muster würde noch kürzer dauern und die Zerstörung Europas einschließen.“
„In unserer Lage sind wir verpflichtet, mit der Katastrophezu rechnen und mit ihr schlafen zu gehen, damit sie uns nicht zur Nacht überrascht. Nur dadurch werden wir zu einem Vorrat an Sicherheit gelangen, der das vernunftgemäßeHandeln möglich macht. Bei voller Sicherheit spielt der Gedanke nur mit der Katastrophe; er bezieht sie als unwahrscheinliche Größe in seine Pläne ein und deckt sich durch geringe Versicherungen ab. In unseren Tagen ist das umgekehrt. Wir müssen beinahe das ganze Kapital an die Katastrophe wenden — um gerade dadurch den Mittelweg offenzuhalten, der messerschmal geworden ist.“
„Das gleiche gilt im Geistigen. Indem man die äußersten Bahnen übersinnt, vernachlässigt man die Fahrwege. Auch hier indessen schließt das eine das andere nicht aus. Vielmehr gebietet die Vernunft, die möglichen Fälle in ihrer Gesamtheit zu überlegen und auf jeden die Antwort bereitzuhalten wie eine Reihe von Schachzügen.“
„Es kann also nicht darauf ankommen, den Grundriß der Arbeitswelt zu ändern; die große Zerstörung legt ihn eher frei. Es könnten aber andere Paläste darauf errichtet werden als jene Termitenhügel, wie sie die Utopie teils fordert, teils befürchtet; so einfach ist der Plan nicht angelegt. Auch handelt es sich nicht darum, der Zeit den Zoll zu weigern, dessen sie bedarf, denn Pflicht und Freiheit lassen sich vereinigen.“
„Man hätte indessen mit diesem Teil der Aufgabe nicht beginnen können, denn das Notwendige wird zuerst gesetzt. Es mag als Zwang, als Krankheit, als Chaos, ja selbst als Tod an uns herantreten — in jedem Falle will es als Aufgabe begriffen sein.“
„Wo der Verstand dem Urphänomen begegnet, stößt er auf Stärkeres. Hier muß er haltmachen; hier kann ihm ein Damaskus zuteil werden. Erst hier erfährt der Trieb, der ihn bewegte, die wahre Befriedigung. »Denn alle Lust will Ewigkeit.« Das gilt auch für das Wissen und seine Unersättlichkeit. Dort endet die faustische Welt.“
„Daß Nietzsche in dieser schwierigen Frage schon früh zwischen seinem Übermenschen und dem Staat als Ungeheuer unterschieden hat, spricht, wie gesagt, für die Schärfe seines prognostischen Blicks.“
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